13.05.2011

Zur Haftung eines Landwirts wegen durch ausbrechende Jungrinder (mit-)verursachte Schäden

E ist nicht als eine Verletzung von Sorgfaltspflichten eines Landwirts anzusehen, wenn dieser erstmals trächtige Jungrinder für die kurze Zeit bis zur Aufstallung auf einer kleinen betriebsnahen Hofkoppel hält. Dies ist gängige landwirtschaftliche Praxis und ermöglicht es, die Tiere vor der Aufstallung an den Hof- und Stallbereich zu gewöhnen und sie nach einer wetterabhängigen Notwendigkeit kurzfristig in den Stall zu verbringen.

OLG Schleswig 20.4.2011, 7 U 13/08
Der Sachverhalt:
Der Beklagte betreibt als Landwirt die Rindviehhaltung. Ende Oktober brachte er seine weiblichen, erstmals trächtigen Jungrinder auf eine umzäunte Koppel hinter das Haus, um sie dort bis zur Aufstallung (Verbringen in den Stall über Winter) zu halten. Gegen Abend brach ein Jungrind in einer Panikreaktion durch den Weidezaun und lief bis zur nächsten Kreisstraße, auf der es mit zwei Autos kollidierte. Deren klagende Halter machen einen Schaden von insgesamt mehr als 10.000 € geltend.

Gegenüber den Schadensersatzansprüchen der Kläger berief sich der Landwirt auf das Haftungsprivileg des Halters von Nutztieren, d.h. von Haustieren, die aus beruflichen Gründen oder zu Erwerbszwecken gehalten werden. Für andere Tiere als Nutztiere sieht das Gesetz in allen Fällen eine Haftung des Tierhalters vor, auch wenn dieser sorgfältig auf sein Tier aufgepasst hat. Für Nutztiere sieht § 833 S. 2 BGB vor, dass der Tierhalter nicht haftet, wenn er seiner Aufsichtspflicht über das Tier nachgekommen ist oder der Schaden auch bei ausreichender Aufsicht entstanden wäre.

Aus Sicht der Kläger ist das Haftungsprivileg von Nutztierhaltern eine nicht mehr zeitgemäße Regelung, weil auch Landwirte über eine Tierhalterhaftpflichtversicherung verfügen und dadurch gegen unkalkulierbare Schadensereignisse versichert sind. Das Verfahren war bereits einmal in der vom Senat zu dieser Frage zugelassenen Revision beim BGH. Dieser hatte die unterschiedliche Ausgestaltung der Tierhalterhaftung, je nachdem ob das Tier zu wirtschaftlichen Zwecken gehalten wird oder nicht, als eine Entscheidung des Gesetzgebers angesehen, die mit dem GG vereinbar ist. Der BGH hatte dem OLG aufgegeben, die Verletzung von Sorgfaltspflichten durch den Landwirt näher zu prüfen. Das OLG wies die Klage nun im zweiten Rechtsgang ab.

Die Gründe:
Nach dem Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen ist davon auszugehen, dass der Ausbruch auf einer Panikreaktion des Tieres beruhte. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass "junge Rinder, insbes. trächtige erstkalbende Färsen sich temperamentvoller als tragende Kühe verhalten und bei ihnen aufgrund der Unerfahrenheit und durch das Fehlen einer erfahrenen Leitkuh heftigere Reaktionen auf unvorsehbare Ereignisse möglich" seien.

Der Beklagte haftet deshalb nicht, auch wenn der Zaun sich an der Ausbruchsstelle möglicherweise nicht in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden haben sollte. Denn selbst dann, wenn der Landwirt den vom Sachverständigen bei Jungrindern für erforderlich angesehenen Zaun (Festzaun, Kombizaun oder Elektrozaun mit mindestens zwei stromführenden Drähten) angebracht hätte, hätte dieser vorschriftsmäßige Zaun einer Panikreaktion des Rinds nicht standgehalten.

E ist auch nicht als eine Verletzung von Sorgfaltspflichten des Landwirts anzusehen, dass dieser die Rinder für die kurze Zeit bis zur Aufstallung auf der kleinen betriebsnahen Hofkoppel gehalten hatte. Dies ist gängige landwirtschaftliche Praxis und ermöglicht es, die Tiere vor der Aufstallung an den Hof- und Stallbereich zu gewöhnen und sie nach einer wetterabhängigen Notwendigkeit kurzfristig in den Stall zu verbringen.

OLG Schleswig PM Nr. 16 vom 13.5.2011
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