13.10.2015

Zur Haftung nach einer schweren Verletzung bei einer gemeinsamen Baumfällaktion

Verabreden sich Bekannte zu gemeinsamen Baumfällarbeiten mit einem abgesprochenen arbeitsteiligen Vorgehen, so haftet ein Teilnehmer der gemeinsamen Aktion nicht dem anderen Teilnehmer, auch wenn dieser sich dabei schwer verletzt. Es widerspricht dem aus dem Gebot von Treu und Glauben folgenden Verbot des Selbstwiderspruches, wenn der Verletzte die finanziellen Folgen seiner Körperverletzung teilweise auf den anderen Teilnehmer abwälzen will, obwohl er sich selbst aus freiem Entschluss und eigener Sorglosigkeit in die gefährliche Situation begeben hat.

Schleswig-Holsteinisches OLG 17.9.2015, 11 U 141/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger und zwei weitere Bekannte verabredeten sich im Frühjahr 2011 zu einer gemeinsamen Baumfällaktion. Sie hatten alle schon in der Vergangenheit Säge- und Fällarbeiten durchgeführt und gingen nach einem gemeinsamen, zuvor besprochenen Plan arbeitsteilig vor.

Der Kläger brachte Motorsäge, Seile und andere Utensilien mit. Sein beklagter Bekannter hatte einen Hubwagen und einen Traktor geliehen. Der Hubwagen wurde unter einer Linde positioniert und der Kläger auf der Hebebühne in Höhe der Baumkrone hochgefahren. Der Kläger befestigte an einem in der Krone der Linde befindlichen Ast ein Seil. Die beiden anderen Bekannten verlängerten das Ende des Seils, indem sie hieran weitere Seile knoteten. Sie befestigten das letzte Ende am Traktor. Der Beklagte befand sich im Traktor und hielt mit diesen die aneinandergeknoteten Seile auf Spannung.

Der Kläger begann auf der ausgefahrenen Hebebühne mit der Motorsäge den Ast abzusägen. Der Beklagte fuhr mit dem Traktor an und der Ast löste sich vom Baum. Dabei wurde der Beklagte durch den Ast aus der Kanzel der Hebebühne geschleudert und stürzte aus etwa 8 Meter Höhe zu Boden, wobei er sich schwer verletzte. Bei diesem Vorgang riss eines der Seile kurz hinter dem Traktor. Die Verknotung der Seile selbst löste sich nicht. Der Kläger verlangt nun von dem Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Das OLG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Der Beklagte haftet nicht für die Schäden, die der Kläger bei der gemeinsamen Baumfällaktion erlitten hat.

Zwar hat der Beklagte fahrlässig gehandelt und durch sein Verhalten den Unfall mitverursacht. Der vorgesehene Ablauf, wonach der Kläger von der Bühne aus den Ast absägte und dieser dann im Fallen weggezogen werden sollte, war extrem gefährlich und sorgfaltswidrig. Dieser Plan war schon deshalb nicht gefahrlos umsetzbar, weil eine Kommunikation zwischen dem Kläger und dem Beklagten fast ausgeschlossen war. Der Kläger hielt die Motorsäge und befand sich neben der Baumkrone, der Beklagte in einem Traktor mit laufendem Motor. Außerdem bestand offensichtlich die Gefahr, dass durch den Sturz oder Seitbewegungen des Astes der Kläger oder die Hebebühne getroffen würden.

Da hier eine gemeinsam geplante gefährliche Handlung vorlag, bei der sich der Beklagte auch an den erdachten Plan hielt, ist ihm der Schaden des Klägers nicht zuzurechnen. Der Kläger verletzt das aus dem Gebot von Treu und Glauben folgende Verbot des Selbstwiderspruches, wenn er die finanziellen Folgen seiner Körperverletzung teilweise auf den Beklagten abwälzen will, obwohl er sich selbst aus freiem Entschluss und eigener Sorglosigkeit in die gefährliche Situation begeben hat.

Der Kläger konnte aus seiner Position auf dem Hubwagen in rund 8 Metern Höhe die Gefährlichkeit der Situation deutlich besser erkennen als der Beklagte. Ihm musste die Fallhöhe bewusst sein, er hätte sich mit einem Gurt absichern können und er konnte die Größe und Position des Astes besser einschätzen. Da er die Säge bediente, hätte er die gefährliche Arbeitsweise jederzeit selbst beenden können. Der Beklagte hat auch keinen zusätzlichen Gefahrenkreis geschaffen, in dem er mit dem Traktor an dem Ast zog. Diese Arbeitsteilung entsprach gerade dem geplanten gemeinsamen Vorhaben der Parteien.

Schleswig-Holsteinisches OLG PM Nr. 13 vom 12.10.2015
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