Zur Schadensberechnung bei täuschungsbedingt gewährtem Darlehen
BGH 13.4.2012, 5 StR 442/11Das LG verurteilte die Angeklagten W und Ü wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 15 bzw. 14 Fällen, den Angeklagten B wegen Betrugs in vier Fällen und den Angeklagten G wegen Beihilfe zum Betrug in elf Fällen. Die Revisionen der Angeklagten hatten mit der Sachrüge Erfolg. Die Verfahrensrügen der Angeklagten wurden als unbegründet gem. § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Den Feststellungen und Wertungen des LG zufolge entwickelten die Angeklagten W und Ü zusammen mit dem bereits verstorbenen O den Plan, bei Immobilienverkäufen einen wesentlich höheren Betrag als tatsächlich vereinbart als Kaufpreis auszuweisen, der dann von der LBS als der kreditgewährenden Bank - ggf. mit Abschlägen bis zu 30 Prozent - finanziert wurde, wobei Ausfallbürgschaften der Bremer Landesbank beigebracht wurden, soweit die Kreditsumme die Beleihungsgrenze überstieg. Den Plan setzten sie in den 15 Verurteilungsfällen auch um. Auf diese Art sollten auf dem stagnierenden Berliner Wohnungsmarkt Immobilien auch an Personen ohne Eigenkapital oder an Bezieher geringerer Einkommen veräußert werden.
Zum Teil wurden aus der im Vergleich zum tatsächlich vereinbarten Kaufpreis überschießenden Kreditsumme auch Altschulden der Kunden abgelöst. Der Angeklagte B warb in vier Fällen als freiberuflich tätiger Kreditvermittler die Kunden. Der Angeklagte G nahm als Notar in elf Fällen die Beurkundungen vor. Er teilte der finanzierenden LBS dann mit, dass ihm gegenüber das (nicht vorhandene) Eigenkapital nachgewiesen sei. Tatsächlich lag ihm zu diesem Zeitpunkt lediglich ein von der Verkäuferseite ausgestellter (gedeckter) Scheck vor, den er bei Auszahlungsreife des Kaufpreises an den Aussteller zurückgab.
Das LG geht ersichtlich von einem Eingehungsbetrug aus, den Ü, W und O als Bande begangen hätten. Täuschungsbedingt sei die LBS bei der Kreditgewährung ein höheres Wagnis eingegangen. Den Schaden berechnet das LG aus der Differenz der Kreditsumme zum tatsächlichen Verkehrswert der Grundstücke, wobei es - zugunsten der Angeklagten - den Verkehrswert mit dem tatsächlich bezahlten Kaufpreis gleichsetzt. Gestellte Bürgschaften brachte es hiervon in Abzug. Auf dieser Grundlage stellte das LG einen Gesamtschaden i.H.v. über 170.000 € fest.
Die Gründe:
Die Schadensberechnung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Im Falle der Annahme eines Eingehungsbetrugs bedarf es einer ausreichenden Beschreibung und Bezifferung der täuschungsbedingten Vermögensschäden. Da speziell beim Eingehungsbetrug die Schadenshöhe entscheidend von der Wahrscheinlichkeit und vom Risiko eines zukünftigen Verlusts abhängt, setzt die Bestimmung eines Mindestschadens voraus, dass die Verlustwahrscheinlichkeit tragfähig eingeschätzt wird. Hierbei können die banküblichen Bewertungsansätze für Wertberichtigungen Anwendung finden. Denn ist aufgrund der fehlenden Bonität des Schuldners und nicht ausreichender Sicherheiten konkret erkennbar, dass mit einem teilweisen Forderungsausfall zu rechnen ist, müssen entsprechende bilanzielle Korrekturen vorgenommen werden, die ihrerseits - ungeachtet der praktischen Schwierigkeiten ihrer Ermittlung - auch im Rahmen der Schadensberechnung zugrunde gelegt werden können.
Diesen Maßstäben wird das landgerichtliche Urteil nicht gerecht, wenn es die Schadensbezifferung allein auf die Differenz zwischen Kredithöhe und tatsächlichem Kaufpreis stützt. Wie die Strafkammer im Ansatz richtig erkannt hat, ist die Darlehensgewährung ein Risikogeschäft. Der im Sinne des § 263 StGB relevante Vermögensschaden liegt deshalb bei diesen Fallgestaltungen immer in der Bewertung des täuschungsbedingten Risikoungleichgewichts. Für dessen Berechnung ist maßgeblich, ob und in welchem Umfang die das Darlehen ausreichende Bank ein höheres Ausfallrisiko trifft, als es bestanden hätte, wenn die risikobestimmenden Faktoren zutreffend gewesen wären. So hätte die kreditgewährende Bank in Kenntnis dieser Umstände die von ihr verlangte Gegenleistung, die Zinshöhe des Darlehens, entsprechend angepasst oder weitergehende Sicherheiten verlangt. Nur in diesem Zusammenhang sind die bestellten Sicherheiten hier von Bedeutung.
Die Schadensfeststellung hätte deshalb bei einem solchen Sachverhalt in einem Vergleich und einer bilanziellen Bewertung der von der Bank zugrunde gelegten Vertragsgestaltung - im Gegensatz zu der tatsächlich durchgeführten - bestehen müssen. Die Verlustwahrscheinlichkeiten dürfen allerdings nicht so diffus sein oder sich in so geringen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich ungewiss bleibt. Im Rahmen der wirtschaftlichen Bewertung des täuschungsbedingt veränderten Kreditrisikos kann auch dem Umstand Gewicht zukommen, dass die LBS als kreditgewährende Bank der Ermittlung der Verkehrswerte der einzelnen Grundstücke wohl keinen wesentlichen Stellenwert beigemessen hat, weil sie die Beleihungsgrenze nur im Wege von prozentualen Abschlägen bestimmt hat, deren Höhe ersichtlich im Belieben des jeweiligen Kreditsachbearbeiters gestanden hat.
Dieser Mangel führt zur Aufhebung des Schuldspruchs in sämtlichen Fällen, weil der Senat in keinem Fall mit letzter Sicherheit auszuschließen vermag, dass sich gar kein ansatzfähiger Vermögensschaden ergibt. Bestehen bleiben können jedoch - wobei insoweit ergänzende, den bisher getroffenen nicht widersprechende Feststellungen zulässig sind - die Feststellungen zu den äußeren Umständen der Kreditgewährungen wie auch zu den Beziehungen der Beteiligten untereinander, weil sie von dem zur Aufhebung führenden Rechtsfehler nicht berührt sind. Gleichfalls aufrechterhalten werden die Feststellungen zur subjektiven Tatseite beim Angeklagten G.
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