28.08.2014

Zur Schätzung der Höhe der erforderlichen Sachverständigenkosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs

Die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Der Schätzung der Höhe der erforderlichen Sachverständigenkosten nach § 287 Abs. 1 ZPO müssen tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen; sie darf nicht völlig abstrakt erfolgen, sondern muss dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen.

BGH 22.7.2014, VI ZR 357/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger, ein Kfz-Sachverständiger, nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht der R auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 20.12.2012 in Anspruch, bei dem der Pkw der R durch ein von der Beklagten geführtes Fahrzeug beschädigt wurde. Die volle Einstandspflicht der Beklagten steht zwischen den Parteien außer Streit.

R beauftragte den Kläger mit der Begutachtung ihres beschädigten Fahrzeugs. Der Kläger ermittelte voraussichtliche Reparaturkosten i.H.v. rd. 3.300 € inkl. 19 Prozent Mehrwertsteuer, eine merkantile Wertminderung von 250 € sowie einen Wiederbeschaffungswert von 8.000 € inklusive 2,5 Prozent Mehrwertsteuer. Für seine Tätigkeit stellte er R insgesamt rd. 790 € inkl. 19 Prozent Mehrwertsteuer in Rechnung. Davon entfielen rd. 430 € netto auf das Grundhonorar und insgesamt rd. 230 € netto auf einzeln ausgewiesene Positionen wie die EDV-Abrufgebühr, Porto, Telefon, Fahrzeugbewertung, Fotos, Fahrtkosten, Schreibgebühren und Fotokopien. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten zahlte hierauf vorprozessual rd. 250 €.

Mit der Klage begehrt der Kläger, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, die Zahlung weiterer rd. 535 € sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, auf die vom Kläger verauslagten Gerichtskosten Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz für die Zeit vom Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrags nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu bezahlen.

Das AG gab der Klage überwiegend statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung eines Betrags i.H.v. rd. 500 €. Das LG verurteilte die Beklagte, an den Kläger das Grundhonorar und Nebenkosten i.H.v. 100 € nebst Mehrwertsteuer abzgl. erbrachter rd. 250 €, d.h. insgesamt rd. 380 €, zu zahlen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte wendet sich mit der Anschlussrevision gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von Fahrtkosten und Kosten für Fotokopien sowie die Anfertigung von Lichtbildern i.H.v. insgesamt rd. 60 €.

Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 2) hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Zutreffend hat das LG angenommen, dass R dem Grunde nach ein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der Kosten des eingeholten Sachverständigengutachtens aus § 18 Abs. 1 S. 1 StVG zustand. Denn diese Kosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gem. § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung - wie im Streitfall - zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die vom LG angenommene Höhe der für die Begutachtung des beschädigten Fahrzeugs erforderlichen Kosten. Das LG hat seiner Schätzung insoweit unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt.

Der vom Geschädigten aufgewendete Betrag ist nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch. Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden. Bei der Bemessung der Schadenshöhe hat der Tatrichter dann allerdings zu beachten, dass der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen müssen. Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO ergibt, darf sie nicht völlig abstrakt erfolgen, sondern muss dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen.

Mit diesen Grundsätzen ist die Beurteilung des LG nicht zu vereinbaren, die zusätzlich zu einem Grundhonorar berechneten Nebenkosten seien in Routinefällen grundsätzlich i.H.v. 100 € erforderlich, während sie, soweit sie diesen Betrag überstiegen, erkennbar überhöht und deshalb nicht ersatzfähig seien. Dies entbehrt einer hinreichend tragfähigen Grundlage. Die Beurteilung des LG ist darüber hinaus mit der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des zwischen dem Kläger und R geschlossenen Werkvertrags durch das LG nicht in Einklang zu bringen, wonach der Kläger, der für seine Ingenieurtätigkeit eine Pauschale abgerechnet und zusätzlich bestimmte Nebenkosten beansprucht habe, damit zum Ausdruck gebracht habe, dass seine Ingenieurtätigkeit mit dem Grundhonorar abgegolten sein solle und er daneben lediglich Ersatz tatsächlich angefallener Aufwendungen verlange.

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