Zur Schätzung eines Mindestbetrages für einen merkantilen Minderwert eines Gebäudes nach Beseitigung von Rissen
BGH 6.12.2012, VII ZR 84/10Die Klägerin hatte im Jahr 1997 durch die Streithelferin der Beklagten zwei baugleiche Mehrfamilienhäuser errichten lassen. Die Beklagte zu 1) erstellte die Tragwerksplanung; die Beklagte zu 2) war mit den Grundleistungen aus § 15 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 HOAI beauftragt. Nach Fertigstellung der Bauvorhaben traten Risse im Innen- und Außenputz auf. Diese wurden daraufhin behoben. Die hierfür aufgewandten Beträge machte die Klägerin zusammen mit einem entstandenen Mietausfall geltend, soweit sie nicht von der Streithelferin der Beklagten getragen worden waren. Außerdem verlangt sie den Ersatz eines verbliebenen merkantilen Minderwertes i.H.v. 150.000 €.
Das Berufungsgericht verurteilte die Beklagten, als Gesamtschuldner an die Klägerin 40.045 € (aufgewandte Kosten für Mängelbeseitigung sowie Mietausfallschaden) nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Es lägen keine konkreten Grundlagen für eine Schadensschätzung vor. Deshalb könne bei der Klägerin kein Schaden durch eine Wertminderung festgestellt werden. Eine objektiv nicht gerechtfertigte Minderung eines Kaufpreises sei vom Schutzzweck der schadensrechtlichen Normen nicht mehr umfasst und könne deshalb nicht auf den Schädiger abgewälzt werden.
Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als die Klage i.H.v. 150.000 € nebst Zinsen abgewiesen wurde und wies die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das KG zurück.
Die Gründe:
Die Annahme des Berufungsgerichts, es sei kein Schaden der Klägerin wegen eines merkantilen Minderwertes der Gebäude festzustellen, war nicht frei von Rechtsfehlern.
Ein merkantiler Minderwert liegt vor, wenn nach erfolgter Mängelbeseitigung eine verringerte Verwertbarkeit gegeben ist, weil die maßgeblichen Verkehrskreise ein im Vergleich zur vertragsgemäßen Ausführung geringeres Vertrauen in die Qualität des Gebäudes haben. Das Berufungsgericht hatte selbst festgestellt, dass es sich bei den Gebäuden um marktgängige Objekte handelte, so dass deren Verwertbarkeit bei den maßgeblichen Verkehrskreisen grundsätzlich festgestellt werden konnte. Es hatte auch darauf hingewiesen, dass zwar nach den Gutachten mit einem erneuten Auftreten von Rissen nicht zu rechnen sei, dies jedoch auch nicht vollständig auszuschließen sei. Das wiederum beruhte ersichtlich darauf, dass die Nachbesserung im Wesentlichen nur die Schadensfolgen beseitigt hatte, ihre Ursache jedoch unverändert fortbestand.
Im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO soll das Gericht allerdings die Schadenshöhe schätzen, wobei in Kauf genommen wird, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Denn nur wenn mangels greifbarer Anhaltspunkte eine Grundlage für das Urteil nicht zu gewinnen ist und das richterliche Ermessen vollends in der Luft hängen würde, bleibt es bei der Regel, dass den Kläger die Beweislast für die klagebegründenden Tatsachen trifft und deren Nichterweislichkeit ihm schadet. Wenn es dagegen nur an ausreichenden Anhaltspunkten fehlt, einen einheitlichen Schaden in seinem vollen Umfang zu schätzen, ist zu prüfen, ob die vorliegenden Tatsachen ausreichen, wenigstens einen gewissen Schadensbetrag durch Schätzung festzustellen. Mag der so geschätzte Betrag auch hinter dem wirklichen Schaden zurückbleiben, so wird wenigstens vermieden, dass der Geschädigte völlig leer ausgeht, obwohl die Ersatzpflicht für einen Schaden erheblichen Ausmaßes feststeht.
Danach gab es im vorliegenden Fall aufgrund der Befragung von Fachleuten durch den Sachverständigen durchaus Anhaltspunkte dafür, in welcher Höhe bei einem Verkauf mindestens eine Einbuße beim Erlös eintreten würde. Soweit das Gericht von der Fachkunde der Auskunftspersonen überzeugt war, schadete es nicht, dass auch die Fachleute ihrerseits keine Angaben mit mathematischer Genauigkeit machen konnten und diese von subjektiven Einschätzungen nicht frei waren. Dies schlägt sich nicht anders nieder als wenn das Gericht selbst in Gebieten, in denen es die notwendige Sachkunde besitzt, die gebotene Schätzung insgesamt vornimmt.
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