19.04.2011

Zur schuldbefreienden Haftungsverlagerung zugunsten eines mit einer hoheitlichen Aufgabe betrauten privaten Unternehmens

Eine von dem Bergamt mit der Erkundung und Sicherung eines Tagesbruchs beauftragte Firma handelt "in Ausführung eines öffentlichen Amtes", also hoheitlich, und haftet damit nicht selbst für angeblich hierbei verursachte Schäden. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Firma nur ein deutlich beschränkter Entscheidungsspielraum bei der Durchführung der Arbeiten zusteht.

OLG Hamm 30.3.2011, I-11 U 221/10
Der Sachverhalt:
Im Sommer 2004 trat im Gebiet der Stadt Mühlheim a.d. Ruhr ein Tagesbruch auf. Das zuständige Bergamt Gelsenkirchen beauftragte eine Baufirma, die Beklagte - mit der Erkundung und Sicherung des Tagesbruchs. Die Firma überprüfte ab Februar 2005 das Gebiet mit mehr als 1.300 Bohrungen und verfüllte festgestellte Hohlräume mit knapp 3.200 t Baustoffen.

Im Spätsommer 2005 kam es in dem betroffenen Stadtgebiet zu Verstopfungen der Kanalisation durch erhebliche Fremdstoffeinlagerungen. Für die Schadensbeseitigung zahlte die klagende Stadt nach ihren Angaben mehr als 855.000 €. Sie sah die Verantwortung für diese Einlagerungen bei der beauftragten Baufirma und verklagte sie auf Schadensersatz.

Das OLG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Stadt hat keinen Anspruch auf Ersatz der für die Schadensbeseitigung erforderlichen Kosten.

Ob die Beklagte die Schäden tatsächlich verursacht hat, konnte offen bleiben, denn zu ihren Gunsten trat eine schuldbefreiende Haftungsverlagerung ein. Die Beklagte handelte als sog. "Verwaltungshelferin", so dass für die Schäden, die bei Ausübung des ihr anvertrauten öffentlichen Amtes entstanden sein sollen, nach § 839 BGB, Art. 34 GG nicht sie, sondern ggf. das Land haftet.

Bei den beauftragten Arbeiten handelt es sich um Maßnahmen, die das Bergamt zur Abwehr von Gefahren aus verlassenen Grubenbauen zu treffen hat. Wenn - wie im Streitfall - mit der Erfüllung dieser hoheitlichen Aufgaben ein privates Unternehmen beauftragt wird und diesem nur ein deutlich beschränkter Entscheidungsspielraum bei der Durchführung der Arbeiten zusteht, bleibt die Tätigkeit haftungsrechtlich "hoheitlich" mit der Folge, dass zu Gunsten der ausführenden Firma die schuldbefreiende Haftungsverlagerung eingreift.

Tatsächlich stand der Beklagten vorliegend nur ein begrenzter Entscheidungsspielraum zu, weil sie an die vertraglichen Vorgaben u.a. aus dem Leistungsverzeichnis gebunden war und den Anweisungen der gesondert vom Bergamt in Auftrag gegebenen Bauleitung folgen musste.

OLG Hamm PM vom 19.4.2011
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