Zur Umsatzsteuerbefreiung für Umsätze der ambulanten Pflege
KurzbesprechungUStG a.F. § 4 Nr. 16 Buchst. e
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g
Nach § 4 Nr. 16 UStG a.F. waren in den Streitjahren 2005 und 2006 von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen steuerfrei u.a. die mit dem Betrieb der Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen eng verbundenen Umsätze, wenn diese Einrichtungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden (im Streitfall nicht gegeben) oder bei Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und bei Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens 40 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind.
Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Regelung in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG entspricht. Die (in den Streitjahren geltende) Absenkung der ursprünglichen Zwei-Drittel-Grenze auf 40 % erfolgte zur Anpassung an die gesetzliche Neuregelung der Pflegeversicherung, um diese Grenze an die bei Krankenhäusern geltende Mindestgrenze für das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen anzugleichen.
Im Streitfall kam die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. nicht zur Anwendung, weil die Pflegekosten nicht "im vorangegangenen Kalenderjahr" in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden waren.
§ 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. war in den Streitjahren auch insoweit nicht unionsrechtswidrig, als er die Steuerbefreiung von der Einhaltung der 40 % Grenze (im selben Jahr) abhängig gemacht hat. Denn der EuGH hat die frühere Zwei-Drittel-Grenze des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. sowie die dort normierte Bedingung, dass die Kosten für die betreffenden Leistungen der ambulanten Pflege ganz oder zum überwiegenden Teil von den gesetzlichen Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträgern übernommen worden sein müssen, gebilligt (EuGH-Urteil Zimmermann, EU:C:2012:716, UR 2013, 35, Rz 37). Der BFH hat deshalb entsprechende gesetzliche Grenzen nur insoweit als mit dem Unionsrecht unvereinbar beanstandet, als bei der Prüfung der Grenze auf die Umsätze des Vorjahres zurückgegriffen wird, und im Übrigen unbeanstandet gelassen.
BFH, Urteil vom 28.6.2017, XI R 23/14, veröffentlicht am 6.9.2017.