09.07.2013

Zur Unpfändbarkeit des Erstattungsanspruch des Arbeitslosengeld II beziehenden Mieters aus einer Betriebs- und Heizkostenabrechnung

Der Erstattungsanspruch des Mieters aus einer Betriebs- und Heizkostenabrechnung des Vermieters ist unpfändbar, wenn der Mieter Arbeitslosengeld II bezieht und die Erstattung deshalb im Folgemonat die Leistungen der Agentur für Arbeit für Unterkunft und Heizung des Hilfeempfängers mindert.

BGH 20.6.2013, IX ZR 310/12
Der Sachverhalt:
Die Parteien führen einen Drittschuldnerprozess, in welchem die Klägerin die Forderung ihres Vollstreckungsschuldners auf Auszahlung eines Betriebskostenguthabens gegen die Beklagte geltend macht. Der Vollstreckungsschuldner ist seit 2008 Wohnungsmieter der Beklagten. Mieten einschließlich Betriebskostenvorauszahlungen werden von der Agentur für Arbeit direkt an die Beklagte überwiesen, weil der Vollstreckungsschuldner Arbeitslosengeld II bezieht.

Im September 2010 rechnete die Beklagte gegenüber dem Vollstreckungsschuldner die Betriebskosten für den Zeitraum vom 1.10.2008 bis zum 30.9.2009 ab. Um das in der Abrechnung ausgewiesene Guthaben von 131 € minderte die Agentur für Arbeit die Mietzahlung an die Beklagte für den Monat November 2010. Am 26.4.2011 erwirkte die Klägerin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem auch die rückständigen, gegenwärtigen und künftigen Ansprüche des Vollstreckungsschuldners gegen die Beklagte auf Auszahlung von Überschüssen aus Nebenkostenabrechnungen gepfändet und der Klägerin zur Einziehung überwiesen wurden.

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde der Beklagten am 23.6.2011 zugestellt. Im Oktober 2011 rechnete die Beklagte gegenüber dem Vollstreckungsschuldner über die Betriebskosten für den Zeitraum vom 1.10.2009 bis zum 30.9.2010 ab. Um das in der Abrechnung ausgewiesene Guthaben von 33 € minderte die Agentur für Arbeit die Mietzahlung an die Beklagte für den Monat November 2011.

Die Klägerin machte zunächst mit ihrer Drittschuldnerklage die Forderung auf Zahlung der beiden Betriebskostenguthaben sowie einen Anspruch auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 46 € rechtshängig. Sie erklärte in erster Instanz den Rechtsstreit wegen des Betriebskostenguthabens aus dem Mietjahr 2008/09 i.H.v. 131 € einseitig für erledigt.

AG und LG wiesen die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das LG hat zu Recht angenommen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Auszahlung der Betriebskostenguthaben sowie auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Erst nach Verkündung der Berufungsentscheidung ist das Urteil des BSG vom 16.10.2012 (NZS 2013, 273 Rn. 19 f, zVb in BSGE) bekannt geworden, nach welchem Betriebs- und Heizkostenerstattungen des Vermieters nicht der Pfändung und Zwangsvollstreckung gegen einen Bezieher von Leistungen nach dem SGB II unterliegen. Der Senat schließt sich der Auffassung des BSG an, weil diese Rückzahlung von öffentlichen Leistungen gem. § 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1 SGB II nach § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II (früher § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II) die Leistungen des Folgemonats an den Hilfeempfänger mindert.

Wäre in diesen Fällen die Pfändung zulässig, würde sie nach dem Gesetz zu Lasten öffentlicher Mittel erfolgen, die dem Leistungsbezieher das Existenzminimum sichern sollen. Solchen Vollstreckungsmaßnahmen ist auch die Rechtsprechung des BGH schon bisher entgegengetreten (vgl. BGH 19.3.2004, IXa ZB 321/03 und 16.6.2011, VII ZB 12/09). Der Senat sieht keinen Anlass, davon abzuweichen. Ob sich dieses Ergebnis mit dem LG hier auch durch eine Analogie zu § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I begründen lässt, konnte offenbleiben.

Wie das LG ebenfalls richtig erkannt hat, steht der Klägerin schon infolge der Unwirksamkeit ihrer Pfändung gegen die Beklagte kein Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO oder aus anderem Rechtsgrund zu.

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