12.03.2019

Zur Unverbindlichkeit eines Vorvertrags hinsichtlich der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots

Ist zwischen den Parteien zu Beginn des Arbeitsverhältnisses kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, sondern lediglich ein hierauf bezogener Vorvertrag vereinbart worden, und ist dieser Vorvertrag wirksam, so eröffnet er dem Arbeitnehmer nicht die Wahlmöglichkeit, sich für Wettbewerbsenthaltung zugunsten einer Karenzentschädigung zu entscheiden.

BAG v. 19.12.2018 - 10 AZR 130/18
Der Sachverhalt:

Die Parteien streiten über eine Karenzentschädigung. Der Kläger war vom 15.7.2014 bis 15.4.2016 als Mitarbeiter im Vertrieb in einer neu gegründeten Niederlassung der Beklagten mit einer Bruttovergütung von 2.800 € mtl. beschäftigt. § 20 des Arbeitsvertrags vom 11.6.2014 lautet:

 

"§ 20 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot/Vorvertrag

Der Mitarbeiter erklärt sich bereit, auf Verlangen des Unternehmens ein Wettbewerbsverbot für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zu einer Dauer von maximal zwei Jahren (aber auch kürzer) zu vereinbaren, das der Anlage 1 zu diesem Vertrag entspricht. Das Verlangen kann gestellt werden, solange der Arbeitsvertrag nicht von einer Vertragspartei gekündigt wurde."

 

Die Anlage 1 lautet auszugsweise:

 

"Anlage 1 zum Arbeitsvertrag der Parteien:

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot zwischen der b GmbH (im Folgenden: Firma) und Herrn T (im Folgenden: Mitarbeiter) wird folgendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart:

1. Dem Mitarbeiter ist es untersagt, auf die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung dieses Vertrages in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Firma in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist.

2. Während der Dauer des Wettbewerbsverbots erhält der Mitarbeiter eine Entschädigung, die für jedes Jahr des Verbots die Hälfte der von dem Mitarbeiter zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen beträgt."

 

Beide Parteien haben sowohl den Arbeitsvertrag als auch die Anlage 1 zum Arbeitsvertrag unterschrieben. Zwei weitere zeitgleich mit dem Kläger eingestellte Arbeitnehmer erhielten gleichlautende Verträge. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15.3.2016 zum 15.4.2016. Der Kläger signalisierte anlässlich des Gesprächs bei Übergabe der Kündigung, dass er ggf. auf der Karenzentschädigung bestehen müsse. Per E-Mail vom 14.4.2016 erklärte der Kläger gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten, dass er von der Karenzentschädigung Gebrauch mache. Der Kläger ist der Ansicht, zwischen den Parteien sei nicht lediglich ein Vorvertrag, sondern bereits ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart worden.

 

ArbG und LAG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BAG keinen Erfolg.

 

Die Gründe:

Das LAG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Karenzentschädigung hat. Zwischen den Parteien ist zu Beginn des Arbeitsverhältnisses kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, sondern lediglich ein hierauf bezogener Vorvertrag vereinbart worden. Dieser Vorvertrag ist wirksam und eröffnet dem Kläger nicht die Wahlmöglichkeit, sich für Wettbewerbsenthaltung zugunsten einer Karenzentschädigung zu entscheiden.

 

Das LAG hat die Vereinbarung der Parteien in § 20 des Arbeitsvertrags i.V.m. Anlage 1 zum Arbeitsvertrag rechtsfehlerfrei als Vorvertrag und nicht bereits als Hauptvertrag über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ausgelegt. Bei den Regelungen in § 20 des Arbeitsvertrags sowie in Anlage 1 zum Arbeitsvertrag handelt es sich um AGB i.S.v. §§ 305 ff. BGB. Deren Auslegung durch das LAG hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung an diesem Maßstab stand. Eine am Wortlaut der Vereinbarung orientierte Auslegung ergibt, dass die Parteien einen Vorvertrag abgeschlossen haben. Der Umstand, dass neben dem Arbeitsvertrag auch die Anlage 1 zum Arbeitsvertrag von beiden Vertragspartnern unterzeichnet worden ist, spricht nicht gegen einen Vorvertrag und für ein bereits begründetes nachvertragliches Wettbewerbsverbot.

 

Schließlich kann § 20 des Arbeitsvertrags i.V.m. Anlage 1 zum Arbeitsvertrag auch nicht dahin gehend verstanden werden, dass die Beklagte den Abschluss des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots bereits verlangt hätte und Anlage 1 ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot in Erfüllung des Vorvertrags aus § 20 des Arbeitsvertrags begründet. Es liegt fern, dass die Parteien in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang zunächst einen Vorvertrag begründet und sogleich den Hauptvertrag abgeschlossen haben. Eines Vorvertrags hätte es nicht bedurft, wenn die Parteien das Wettbewerbsverbot im betreffenden Zeitpunkt bereits endgültig hätten abschließen wollen. Das LAG ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Parteien einen wirksamen Vorvertrag abgeschlossen haben. Der Vorvertrag begründet keine unbillige Erschwerung des Fortkommens i.S.v. § 74a Abs. 1 Satz 2 HGB für den Kläger. Ihm steht kein Wahlrecht zu, in dessen Ausübung er sich dafür hätte entscheiden können, zugunsten einer Karenzentschädigung auf Wettbewerb zu verzichten.

 

Ob und unter welchen Voraussetzungen eine unbillige Erschwerung des Fortkommens i.S.v. § 74a Abs. 1 Satz 2 HGB auch dann vorliegen kann, wenn der Arbeitgeber ab der Kündigung des Arbeitsvertrags sein Recht aus dem Vorvertrag nicht mehr ausüben kann, hat der Senat bisher ausdrücklich offengelassen. Die Frage muss auch hier nicht abschließend geklärt werden. In der Literatur werden Vorverträge, deren Ausübung zeitlich bis zur Erklärung einer Kündigung oder bis zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags begrenzt ist, überwiegend als zulässig angesehen. Andere Stimmen im Schrifttum fordern, teilweise unter Hinweis auf § 75a HGB, eine weiter gehende zeitliche Beschränkung. Aus der Wertung des § 75a HGB ergibt sich jedoch nicht, dass Vorverträge, die auf den Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gerichtet sind, auf einen bestimmten Zeitpunkt bereits vor Erklärung einer Kündigung oder Abschluss eines Aufhebungsvertrags begrenzt werden müssen.

 

Jedenfalls für die vorliegende Konstellation ergibt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen, dass das Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unbillig erschwert ist i.S.v. § 74a Abs. 1 Satz 2 HGB. Das Arbeitsverhältnis bestand zum Zeitpunkt seiner Beendigung erst kürzer als zwei Jahre, sodass der Kläger noch keinem besonders langen Zeitraum einer möglichen Inanspruchnahme aus dem Vorvertrag ausgesetzt war. Zudem war die Filiale des Klägers erst in zeitlichem Zusammenhang mit seiner Einstellung gegründet worden. Die Beklagte hatte daher ein gesteigertes Interesse, den späteren Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots von deren geschäftlicher Entwicklung und den sich daraus ergebenden schützenswerten wettbewerblichen Interessen abhängig zu machen.

 

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