09.01.2012

Zur Verjährung von Regressansprüchen gegen Rechtsanwälte wegen verpasster Klageerhebung

Besteht die Pflichtwidrigkeit eines Rechtsanwaltes darin, dass er es verpasst, eine mit Ablauf des 31.12. (hier: 2004) verjährende Forderung gerichtlich geltend zu machen, entsteht der Schaden des Mandanten mit Beginn des 1.1. (hier: 2005). Die Verjährungsfrist des Schadensersatzanspruchs gegen den Rechtsanwalt beginnt dann mit dem Schluss dieses Jahres.

BGH 15.12.2011, IX ZR 85/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin trat auf Veranlassung eines Vermittlers im Dezember 1995 einem geschlossenen Immobilienfonds mit einem Investitionsbetrag von 90.000 DM bei. Den Erwerb finanzierte sie durch zwei Darlehensverträge bei der Kreis- und Stadtsparkasse S. Nach ihrer Ansicht wurde sie über die sich aus der Beteiligung ergebende Belastung und hinsichtlich der eingeschränkten Verkehrsfähigkeit der Anlage unzutreffend unterrichtet. Infolgedessen wandte sich die Klägerin im Oktober 2004 an die beklagte Anwaltssozietät, um sich über die von ihr erworbene Fondsbeteiligung rechtlich beraten zu lassen.

In der Folgezeit fanden zwischen dem zuständigen Rechtsanwalt und der Klägerin mehrere Beratungsgespräche statt. Mit Schriftsatz vom 20.12.2004 erhob der Anwalt namens der Klägerin Klage gegen die S. Gegenüber dem Vermittler wurden allerdings keine gerichtlichen Maßnahmen veranlasst. Eine im Juni 2006 gegen ihn betriebene Klage wurde im Hinblick auf das Risiko bereits eingetretener Verjährung mit einem Prozessvergleich über einen Abgeltungsbetrag von 5.000 € beendet.

Die Klägerin begehrte daraufhin von der Beklagten Schadensersatz. Sie machte geltend, sie hätte rechtzeitig Klageauftrag gegen den Vermittler erteilt, wenn die Beklagte sie ordnungsgemäß über die Erfolgsaussichten beraten hätte. Die Klage wurde von der Klägerin am 30.12.2008 bei Gericht eingereicht.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des OLG war der geltend gemachte Regressanspruch nicht verjährt.

Für Beginn und Dauer der Verjährung waren hier die Vorschriften der §§ 195 ff BGB anwendbar. Der geltend gemachte Anspruch war mit Ablauf des 31.12.2004 und damit nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004 entstanden. Maßgeblich war auch nicht der Zeitpunkt der Mandatsbegründung, sondern zu welchem Zeitpunkt der geltend gemachte Schaden entstanden war.

Nicht gefolgt werden konnte zudem der Annahme des Berufungsgerichts, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte sei bereits am 31.12.2004 entstanden. Denn besteht die Pflichtwidrigkeit des Rechtsberaters darin, dass der gebotene Rechtsbehelf gegen einen Bescheid unterblieben ist, entsteht der Schaden des Mandanten mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist, also erst in dem Augenblick, in dem er nicht mehr durch einen Rechtsbehelf die Abänderung des gegen ihn ergangenen Bescheids erwirken kann.

Die Pflichtwidrigkeit lag hier in der unterlassenen Beratung und Klageerhebung gegen den Vermittler. Diese Klageerhebung hätte ordnungsgemäß noch bis zum 31.12.2004 erfolgen können. Daher war der Schaden der Klägerin erst mit Ablauf dieses Tages, mithin am 1.1.2005 eingetreten. Da die Beklagte den 31.12.2004 zur Vermeidung einer Schadensersatzpflicht durch die Erhebung einer entsprechenden Klage gegen den Vermittler noch voll ausnutzen durfte, wurde der gegen sie gerichtete Ersatzanspruch gem. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB erst am 1.1.2005 begründet. Somit kam es nicht darauf an, wann die Klägerin von der zweiten Voraussetzung für den Verjährungsbeginn, den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt bzw. infolge grober Fahrlässigkeit nicht erlangt hatte.

Die dreijährige Frist des § 195 BGB war, weil der Anspruch im Jahr 2005 begründet wurde, gem. § 199 Abs. 1 BGB erst mit dem Schluss dieses Jahres in Lauf gesetzt worden. Folglich war die Verjährungsfrist frühestens mit Ablauf des 31.12.2008 verstrichen. Die am 30.12.2008 bei Gericht eingegangene Klage wurde mithin in nicht verjährter Zeit eingereicht.

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