17.01.2012

Zur Verkehrssicherungspflicht auf Bahnsteigen

Ein Eisenbahnverkehrsunternehmen ist aufgrund eines Personenbeförderungsvertrags verpflichtet, die Beförderung so durchzuführen, dass der Fahrgast - auch hinsichtlich Zu- und Abgang am Bahnsteig - keinen Schaden erleidet. Wird diese vertragliche Pflicht schuldhaft verletzt, haftet das Eisenbahnverkehrsunternehmen gem. § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB und hat ein etwaiges Verschulden des Eisenbahninfrastrukturunternehmens - oder eingeschalteter Dritter - in gleichem Umfang zu vertreten wie ein eigenes Verschulden (§ 278 BGB).

BGH 17.1.2012, X ZR 59/11
Der Sachverhalt:
Die Beklagte zu 1), die DB Fernverkehr AG, erbringt Eisenbahnverkehrsleistungen im Fernverkehr. Die Klägerin erwarb bei ihr einen Fahrausweis für eine Fahrt mit dem ICE von Solingen nach Dresden. Auf dem Weg zum Haltepunkt des ICE stürzte die Klägerin auf dem Bahnsteig des Bahnhofs. Eigentümerin des Bahnhofs ist die DB Station & Service AG. Diese hatte die Reinigung und den Winterdienst der Beklagten zu 2), der DB Services GmbH, übertragen. Diese behauptet, sie habe ihrerseits den Winterdienst auf den Streithelfer übertragen.

Wegen der durch den Sturz zugezogenen Verletzungen nahm die Klägerin zunächst die DB Station & Service AG in Anspruch. Das LG wies diese Klage mit der Begründung ab, die DB Station & Service AG habe die ihr obliegende Räum- und Streupflicht auf die Beklagte zu 2) übertragen. Die Klägerin begehrt nunmehr von den Beklagten Schmerzensgeld, Schadensersatz und die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden wegen der durch den Sturz zugezogenen Verletzungen.

Das LG wies die Klage gegen die Beklagte zu 1) durch Teilurteil ab. Auf die Berufung der Klägerin hob das OLG das Teilurteil und das Verfahren auf, verwies die Sache an das LG zurück und ließ die Revision zu. Es vertrat die Auffassung, das Teilurteil des LG sei unzulässig, da auch eine Haftung der Beklagten zu 1) in Betracht komme. Das Eisenbahnverkehrsunternehmen sei gegenüber dem Fahrgast vertraglich verpflichtet, für einen verkehrssicheren Zustand des benutzten Bahnsteigs zu sorgen.

Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten zu 1) hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat zu Recht entschieden, dass das Teilurteil des LG unzulässig ist, da auch Haftung der Beklagten zu 1) in Betracht kommt.

Ein Eisenbahnverkehrsunternehmen ist aufgrund eines Personenbeförderungsvertrags verpflichtet, die Beförderung so durchzuführen, dass der Fahrgast keinen Schaden erleidet. Dies betrifft nicht nur den eigentlichen Beförderungsvorgang zwischen Ein- und Aussteigen, sondern auch den Zu- und Abgang. Trotz der rechtlichen Trennung von Fahrbetrieb und Infrastruktur durch das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (ENeuOG) vom 27.12.1993 ist ein Eisenbahnverkehrsunternehmen aufgrund eines Personenbeförderungsvertrags verpflichtet, Bahnanlagen wie Bahnsteige, die der Fahrgast vor und nach der Beförderung benutzen muss, bereitzustellen und verkehrssicher zu halten.

Dies ist dem Eisenbahnverkehrsunternehmen, das diese Bahnanlagen aufgrund eines Stationsnutzungsvertrags mit dem Infrastrukturunternehmen nutzt, im Zusammenwirken mit diesem möglich. Wird diese vertragliche Pflicht schuldhaft verletzt, haftet das Eisenbahnverkehrsunternehmen gem. § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB und hat ein etwaiges Verschulden des Eisenbahninfrastrukturunternehmens - und im Fall der Übertragung der Verkehrssicherungspflichten auf weitere Dritte deren Verschulden - in gleichem Umfang zu vertreten wie ein eigenes Verschulden (§ 278 BGB).

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 7 vom 17.1.2012
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