20.01.2020

Zur Verkehrssicherungspflicht bei Handlaufrohren im Bereich von Bahnhöfen

Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Es kann von einer Kommune nicht verlangt werden, einen Handlauf an einem Bahnhof jeden Tag zu kontrollieren. Dies würde die an die Verkehrssicherungspflicht zu stellenden Anforderungen überspannen, vor allem wenn es sich mit Ausnahme von Fußballspielen in der nahliegenden Arena nicht um einen übermäßig frequentierten Bahnhof handelt.

AG München v. 19.3.2019 - 182 C 11189/18
Der Sachverhalt:
Die damals 10 Jahre alte Klägerin war im April 2017 mit ihren Eltern und ihren Geschwistern auf dem Weg in die Allianz-Arena am U-Bahnhof Fröttmaning ausgestiegen. Sie ging auf der nördlichen Seite des Fußgängersteigs in Richtung Esplanade und ließ ihre Hand auf dem Handlauf "mitlaufen". In der Folge erlitt die Klägerin eine offene Fraktur des Zeigefingers mit einer Verletzung der Streckmuskeln und -sehnen. Die beklagte Kommune ist für den Bereich zwischen der U-Bahnhaltestelle Fröttmaning und der Esplanade zur Allianz-Arena verkehrssicherungspflichtig.

Die von ihren Eltern vertretene Klägerin behauptet, die Metallrohre des Handlaufs seien in diesem Bereich nicht mehr miteinander verbunden gewesen. Das nachfolgende offene Rohr habe zu einem Drittel über das vorhergehende Stück hinausgeragt, so dass das Kind mit dem Zeigefinger in das offene Metallrohr des Anschlussstücks geraten, dort stecken geblieben sei und sich infolge der Vorwärtsbewegung u.a. eine offene Fraktur zugezogen habe. Der Finger bleibe wohl dauerhaft in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt. Der Unfall sei durch eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verursacht. Eine Beschädigung des Handlaufs sei nicht erst unmittelbar vor dem Unfall erfolgt.

Die Beklagte behauptete, dass der U-Bahnhof erst drei Tage zuvor überprüft worden sei. Mit Ausnahme eines defekten Fahrkartenautomaten seien insbesondere beim Handlauf keine Schäden festgestellt worden. Von alleine hätten die Rohre nicht auseinanderdriften können, so dass dies durch eine mutwillige Gewalteinwirkung geschehen sein müsse.

Das AG hat die auf Zahlung von Schmerzensgeld i.H.v. mind. 3.000 € gerichtete Klage abgewiesen. Die Entscheidung ist mittlerweile rechtskräftig.

Die Gründe:
Zwar ist die Beklagte für den streitgegenständlichen Bereich des Fußgängersteigs zwischen der U-Bahnhaltestelle Fröttmaning und der Esplanade zur Allianz-Arena verkehrssicherungspflichtig. Allerdings ist eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, im praktischen Leben nicht erreichbar. Die Beklagte bzw. ihre organschaftlichen Vertreter hatten der ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht hier durch die Kontrolle des Bahnhofs Fröttmaning samt der dazugehörenden Anlagen drei Tage zuvor durch die Zeugin K. Genüge getan.

Die Zeugin führte sachlich und detailgenau aus, dass sie bei jeder Kontrolle jeden Tag routinemäßig auch die Handläufe der Bahnhöfe überprüfen und diese dabei mit der Hand "ablaufen" würde, um etwa abstehende Splitter oder zu große Abstände der Metallrohre festzustellen. Es kann auch nicht von der Beklagten verlangt werden, den Bahnhof Fröttmaning jeden Tag zu kontrollieren. Dies würde die an die Verkehrssicherungspflicht zu stellenden Anforderungen überspannen, zumal es sich mit Ausnahme der Spieltage in der Allianz-Arena auch nicht um einen übermäßig frequentierten Bahnhof handelt.

Die Beklagte hatte den Bahnhof Fröttmaning gerade vor dem Fußballspiel am 30.04.2017 kontrolliert. Im Übrigen ist dem im Internet einsehbaren Spielplan der Allianz-Arena zu entnehmen, dass das letzte Spiel vor dem streitgegenständlichen Vorfall am 26.04.2017 stattgefunden hatte, und damit vor der Kontrolle durch die Zeugin K.
 
AG München PM vom 17.1.2020
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