Zur Zulässigkeit der Entfernung von Kunstinstallationen in einem Museum
BGH v. 21.2.2019 - I ZR 98/17 u.a.Die Klägerin ist Künstlerin, die Beklagte betreibt die Kunsthalle Mannheim. Gegenstand des Verfahrens I ZR 98/17 ist die von der Klägerin im Auftrag der Beklagten ab dem Jahr 2006 für den Athene-Trakt der Kunsthalle erschaffene multimediale und multidimensionale Rauminstallation "HHole (for Mannheim)". Die Installation umfasst verschiedene Teile auf allen sieben Gebäudeebenen des Trakts, die durch Öffnungen in den Geschossdecken miteinander verbunden sind. Im Jahr 2012 beschloss die Beklagte, den Athene-Trakt im Zuge der Neuerrichtung eines anderen Gebäudeteils weitgehend zu entkernen sowie einige Geschossdecken und das bisherige Dach abzubauen. Die Beklagte plant, das Werk im Zuge der Umbaumaßnahmen zu beseitigen. Inzwischen sind u.a. die Geschossdecken in dem Trakt entfernt worden.
Gegenstand des Verfahrens I ZR 99/17 ist eine von der Klägerin im Auftrag der Beklagten für den Dach- und Kuppelbereich des Billing-Baus der Kunsthalle Mannheim ab dem Jahr 2006 erschaffene Lichtinstallation "PHaradies". Ab dem Jahr 2010 ließ die Beklagte das Dach des Billing-Baus sanieren und im Zuge dieser Maßnahmen wurden spätestens 2013 sämtliche Bestandteile der Lichtinstallation entfernt und nicht wieder aufgebaut.
Die Klägerin sieht in der Entfernung der Installationen eine Verletzung ihres Urheberrechts. Im Verfahren I ZR 98/17 verlangt sie die Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen der Installation "HHole (for Mannheim)" durch die Baumaßnahmen, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands des Werks, Zugang zum Werk und Zahlung einer angemessenen Vergütung von mindestens 70.000 €. Hilfsweise beansprucht sie u.a. die Duldung der Reinstallation der Grundstruktur des Kunstwerks nach erfolgtem Gebäudeumbau auf Kosten der Beklagten sowie Zahlung einer angemessenen Vergütung hierfür. Für den Fall einer dauerhaften Beseitigung des Werks begehrt die Klägerin weiter hilfsweise Schadensersatz von nicht unter 220.000 €. Im Verfahren I ZR 99/17 verlangt die Klägerin die Wiedererrichtung der Lichtinstallation "PHaradies". Für den Fall der dauerhaften Vernichtung des Werks beansprucht sie hilfsweise Schadenersatz von mindestens 90.000 €.
Das LG gab der Klage im Verfahren I ZR 98/17 teilweise statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung einer Vergütung von 66.000 € unter Abweisung der Klage im Übrigen. Im Verfahren I ZR 99/17 wies das LG die Klage vollständig ab. Das OLG wies die Berufungen der Klägerin zurück und wies auf die Berufung der Beklagten die Klage im Verfahren I ZR 98/17 auch hinsichtlich des vom LG zugesprochenen Vergütungsanspruchs ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil im Verfahren I ZR 98/17 auf, soweit das OLG ihren Klageantrag auf Zahlung einer Vergütung bis zur Höhe von 66.000 € zurückgewiesen hat, und verwies die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück. Im Übrigen wies der BGH die Revision zurück. Im Verfahren I ZR 99/17 hatte die Revision der Klägerin keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die von der Klägerin in beiden Verfahren hinsichtlich der Beseitigung der Installationen nach § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UrhG geltend gemachten Ansprüche bestehen nicht, weil die Vernichtung der Werke rechtmäßig ist.
Die Vernichtung eines urheberrechtlich geschützten Werks stellt eine "andere Beeinträchtigung" i.S.d. § 14 UrhG dar. Bei der Prüfung, ob die Vernichtung geeignet ist, die berechtigten persönlichen und geistigen Interessen des Urhebers am Werk zu gefährden, ist eine umfassende Abwägung der Interessen des Urhebers und des Eigentümers des Werks vorzunehmen. Bei der Interessenabwägung ist auf Seiten des Urhebers zu berücksichtigen, ob es sich bei dem vernichteten Werk um das einzige Vervielfältigungsstück des Werks handelte, oder ob von dem Werk weitere Vervielfältigungsstücke existieren. Ferner ist zu berücksichtigen, welche Gestaltungshöhe das Werk aufweist und ob es ein Gegenstand der zweckfreien Kunst ist oder als angewandte Kunst einem Gebrauchszweck dient.
Auf Seiten des Eigentümers können, wenn ein Bauwerk oder Kunst in oder an einem solchen betroffen ist, bautechnische Gründe oder das Interesse an einer Nutzungsänderung von Bedeutung sein. Bei Werken der Baukunst oder mit Bauwerken unlösbar verbundenen Kunstwerken werden die Interessen des Eigentümers an einer anderweitigen Nutzung oder Bebauung des Grundstück oder Gebäudes den Interessen des Urhebers am Erhalt des Werks in der Regel vorgehen, sofern sich aus den Umständen des Einzelfalls nichts anderes ergibt. Das OLG hat danach rechtsfehlerfrei angenommen, dass das Interesse der Beklagten an der Beseitigung der Installationen gegenüber dem Erhaltungsinteresse der Klägerin Vorrang hat. Die geltend gemachten Ansprüche sind auch auf vertraglicher Grundlage nicht gegeben.
Keinen Bestand hat im Verfahren I ZR 98/17 die Abweisung des Vergütungsanspruchs bis zur Höhe von 66.000 € durch das OLG. Auf der Grundlage der Feststellungen des OLG kann nicht angenommen werden, dass dieser Anspruch nicht entstanden oder dass er verjährt ist.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
- Um direkt zur Pressemitteilung zu kommen, klicken Sie bitte hier.