26.08.2014

Zur Zuständigkeit in der Berufungsinstanz bei Vorliegen einer WEG-Sache nur im Hinblick auf einen von mehreren Beklagten

Stellt der Rechtsstreit zwar im Verhältnis zwischen dem Kläger und einem Beklagten, nicht aber im Verhältnis zu einem weiteren Beklagten eine Wohnungseigentumssache gem. § 43 Nr. 1 bis 4 oder 6 WEG dar, richtet sich die Zuständigkeit in der Berufungsinstanz auch für den weiteren Beklagten nach § 72 Abs. 2 GVG. Dies ist jedenfalls dann zweifelsfrei der Fall, wenn die Entscheidung erster Instanz beide Streitgenossen betrifft.

BGH 3.7.2014, V ZB 26/14
Der Sachverhalt:
Der Klägerin steht das Sondereigentum an einer Eigentumswohnung zu. In der Wohnungseigentumsanlage befinden sich u.a. sechs Gewerbeeinheiten, die im Teileigentum der Beklagten zu 1) stehen und von der Beklagten zu 2) als deren Mieterin genutzt werden. Ohne Genehmigung der übrigen Wohnungseigentümer ließen die Beklagten im Hof und an den Flachdächern Lüftungsrohre einbauen und Klimageräte aufstellen. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Beseitigung der Umbauten und Wiederherstellung.

Das AG Gladbeck gab der Klage statt. Beide Beklagte legten Berufung bei dem LG Essen ein. Nachdem dieses auf seine Unzuständigkeit hingewiesen hatte, nahm die Beklagte zu 1) ihre Berufung zurück; die Berufung der Beklagten zu 2) verwarf das LG Essen als unzulässig. Dagegen wendet sich die Beklagte zu 2) mit der Rechtsbeschwerde, mit der sie die Abweisung der Klage erreichen will; hilfsweise beantragte sie, die Sache an das für Streitigkeiten i.S.v. § 72 Abs. 2 GVG zuständige LG Dortmund zu verweisen.

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 2) hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, da die in § 574 Abs. 2 ZPO bestimmten weiteren Voraussetzungen nicht gegeben sind.

Ein Zulassungsgrund ergibt sich nicht daraus, dass das Berufungsgericht das LG Dortmund als zuständiges Berufungsgericht ansieht. Zwar ist die Klage nur insoweit Wohnungseigentumssache i.S.v. § 43 Nr. 1 WEG, als sie sich gegen die Beklagte zu 1) richtet; bezogen auf die Beklagte zu 2) ist sie allgemeine Zivilsache. Nachdem aber die Beklagten zulässigerweise als Streitgenossen verklagt wurden, wirkt die Konzentration der Berufungszuständigkeit gem. § 72 Abs. 2 GVG auch für die Beklagte zu 2); zweifelsfrei ist dies jedenfalls dann, wenn das Urteil erster Instanz - wie im Streitfall - beide Streitgenossen betrifft.

Dass die Zuständigkeitskonzentration des § 72 Abs. 2 GVG grundsätzlich auch für einen Streitgenossen gilt, für den die in der Norm genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind, hat der Senat bereits für einen vergleichbaren Sachverhalt entschieden (Beschluss vom 9.12.2010, V ZB 190/10). Zwar war dort eine Zuständigkeitsbestimmung durch das OLG gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vorausgegangen, und die Berufung wurde von Seiten der Klägerin gegen sämtliche Beklagten des Rechtsstreits geführt. Ob eine Zuständigkeitsbestimmung erfolgt ist, ist indes unerheblich, weil die Anwendung von § 72 Abs. 2 GVG nicht davon abhängt, ob ein gemeinsamer Gerichtsstand ohnehin besteht oder ob dieser erst gerichtlich bestimmt werden muss; ebenso wenig ist es von Bedeutung, wer Berufungsführer ist und ob es eine einheitliche Berufung oder wie hier mehrere Rechtsmittel gibt.

Entscheidend ist vielmehr, dass die Streitgenossen nicht in getrennten Prozessen, sondern gemeinsam vor dem Wohnungseigentumsgericht verklagt werden. Andernfalls käme es nämlich zu einer unerwünschten Aufspaltung der Berufungszuständigkeit und zu einer Trennung des Prozesses in der Berufungsinstanz; diese wäre auch mit dem Gebot der Rechtsmittelklarheit unvereinbar. Die - ohnehin erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erfolgte - Rücknahme der Berufung der Beklagten zu 1) ändert hieran nichts.

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