23.06.2015

Zwölf-Stämme-Verfahren: Züchtigungen mit Rute rechtfertigen Trennung der Eltern von ihren Kindern

Gem. § 1631 Abs. 2 BGB hat jedes Kind ein Recht auf eine uneingeschränkt gewaltfreie Erziehung. Körperliche Züchtigungen mit der Rute, wie sie von Mitgliedern der Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" praktiziert werden, gefährden das Kindeswohl und rechtfertigen daher eine Trennung der Eltern von ihren leiblichen Kindern.

OLG Nürnberg 11.6.2015, 9 UF 1430/14 u.a.
Der Sachverhalt:
Hintergrund der Verfahren ist die Unzulässigkeit körperlicher Bestrafungen im Rahmen der Kindererziehung. Die betroffenen Eltern der beiden Verfahren gehören der Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" an. Nach den Vorstellungen dieser Glaubensgemeinschaft stellt die Züchtigung mit der Rute einen zulässigen Bestandteil der Kindeserziehung dar.

Das AG entzog den Eltern Teilbereiche der elterlichen Sorge, insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Die hiergegen gerichtete Beschwerden der Eltern hatten vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidungen sind rechtskräftig.

Die Gründe:
Das AG Ansbach hat den Eltern zu Recht Teilbereiche der elterlichen Sorge, insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht, entzogen.

Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die betroffenen Eltern aufgrund ihrer religiösen Überzeugung ihre Kinder auch in Zukunft körperlich züchtigen würden, weil die Züchtigung mit der Rute nach den Vorstellungen der Glaubensgemeinschaft, die die betroffenen Eltern teilen, unabdingbar zur Kindererziehung gehört. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung vom 2.11.2000 besteht jedoch gem. § 1631 Abs. 2 BGB ein Recht eines jeden Kindes auf eine uneingeschränkt gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen sind damit in der Erziehung unzulässig.

Körperliche Züchtigungen der Art, wie sie von Mitgliedern der "Zwölf Stämme" praktiziert werden, gefährden das Kindeswohl. Die Gefährdung des Kindeswohls liegt bereits darin, dass die Kinder einer solchen Behandlung künftig wiederkehrend ausgesetzt sind, ständig mit der Verabreichung von Schlägen rechnen und daher in Angst davor leben müssen; ferner darin, dass sie beim Einsatz der Rute körperliche Schmerzen erdulden müssen und die daraus resultierende Demütigung als psychischen Schmerz erfahren. Auf den Eintritt länger andauernder physischer Verletzungen oder das Ausmaß psychischer Spätfolgen kommt es daher nicht entscheidend an.

Zwar stellt eine Trennung der Eltern von ihren leiblichen Kindern den stärksten vorstellbaren staatlichen Eingriff in das Elternrecht dar. Der Schutz der Kinder war vorliegend aber durch mildere Maßnahme als die Trennung der Kinder von ihren Eltern nicht zu erreichen.

OLG Nürnberg PM Nr. 8 vom 15.6.2015
Zurück