15.03.2024

Abmahnung: Arbeitgeber muss Zeugen beim Namen nennen und einen möglichen Konflikt hinnehmen

Die Kammer verkennt nicht, dass ein Konflikt zwischen dem Kläger und den Zeugen im Hinblick auf den Wahrheitsgehalt der in der Abmahnung enthaltenen Vorwürfe entstehen kann. Einen solchen Konflikt hat ein Arbeitgeber, der den Aussagen der Zeugen im Hinblick auf ein angebliches Fehlverhalten eines Arbeitnehmers vertraut, allerdings hinzunehmen.

ArbG Düsseldorf v. 12.1.2024 - 7 Ca 1347/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist bei der Beklagten beschäftigt, einer obersten Bundesbehörde und Kompetenzzentrum für Asyl, Migration und Integration. Er ist u.a. zuständig für die schriftliche und persönliche Antragsannahme sowie Aktenanlage in Asylverfahren. Am 27.12.2022 waren diverse Vorwürfe betreffend den Kläger von Mitarbeitenden einer Außenstelle vertraulich an die Personalabteilung herangetragen worden. So soll der Kläger sich in der Dienststelle unangemessen über Asylantragstellende aus Afghanistan geäußert haben. Außerdem soll er sich im Zusammenhang mit einer am 15.12.2022 stattgefundenen Weihnachtsfeier unangemessen über eine Referentin geäußert haben.

Am 4.1.2023 erfolgte ein Personalgespräch zwischen dem Kläger und der Personalabteilung in Form einer Videokonferenz. Der Kläger sah sich mit den Vorwürfen konfrontiert und gab an, keine der vorgeworfenen Äußerungen getätigt zu haben. Auf die Frage des Klägers, weshalb keine Namen derjenigen Mitarbeitenden, die die Vorwürfe an die Personalbetreuung herangetragen hätten, genannt würden, äußerte die Personalreferentin, dass die Mitarbeitenden eingeschüchtert seien und sich lediglich vertraulich an die Vorgesetzten sowie die Personalbetreuung gewandt hätten.

Mit Schreiben vom 22.2.2023 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. Der Kläger beantragte gerichtlich, die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung aus seiner Personalakte zu entfernen. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt.

Die Gründe:
Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Darüber hinaus ist eine Abmahnung auch dann aus der Personalakte zu entfernen, wenn sie statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Vorwürfe enthält. Ein Entfernungsanspruch des Arbeitnehmers besteht ferner dann, wenn die vom Arbeitgeber in der Abmahnung geäußerten rechtlichen Schlussfolgerungen nicht zutreffen.

Unerheblich war, ob der Kläger sich tatsächlich in der ihm vorgeworfenen Art und Weise verhalten hatte. Jedenfalls ist die Abmahnung inhaltlich unbestimmt. Denn die "anderen Mitarbeiter", gegenüber denen der Kläger die Äußerungen getätigt haben soll, werden in der Abmahnung nicht benannt, obwohl sie der Beklagten im Zeitpunkt der Abmahnung unstreitig bekannt waren. Da sich die Anforderungen an die Konkretisierung der in der Abmahnung enthaltenen Rüge an dem orientieren, was der Arbeitgeber wissen kann, ist die Abmahnung nicht hinreichend konkretisiert. Für den Kläger als Adressat der Abmahnung dient die Konkretisierung unter Nennung der Namen der Zeugen auch dazu, überprüfen zu können, ob die Abmahnung inhaltlich richtig ist oder nicht; pauschale Vorwürfe ohne die Nennung der Zeugen erfüllen diese Anforderung nicht.

Die Beklagte war auch nicht berechtigt, zum Schutz der Zeugen die Namen in der Abmahnung nicht zu nennen. Die Kammer verkennt nicht, dass hierdurch ein Konflikt zwischen dem Kläger und den Zeugen im Hinblick auf den Wahrheitsgehalt der in der Abmahnung enthaltenen Vorwürfe entstehen kann. Einen solchen Konflikt hat ein Arbeitgeber, der den Aussagen der Zeugen im Hinblick auf ein angebliches Fehlverhalten eines Arbeitnehmers vertraut, allerdings hinzunehmen. Es ist auch nicht ersichtlich, welche konkrete Gefahr den Zeugen durch ihre Nennung in der Abmahnung droht.

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Aufsatz
Jeannine Anton-Dyck / Annett Böhm
Dienstwagen ohne Privatnutzungserlaubnis
ArbRB 2024, 87

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