09.09.2019

Anspruch auf bezahlte Freistellung für Probespiel eines Solocellisten

Der Solocellist eines Sinfonieorchesters kann einen Anspruch auf bezahlte Freistellung für die Teilnahme an einem Probespiel haben. Für die von § 40 Abs. 3 des Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern vom 31.10.2009 verlangte Unentbehrlichkeit aus künstlerischen Gründen kommt es nicht auf die Bedeutung des Konzerts, sondern darauf an, ob das gespielte Repertoire von jedem ausgebildeten Konzertmusiker gespielt werden kann oder weitergehende Fertigkeiten verlangt.

ArbG Aachen v. 11.7.2019 - 1 Ca 776/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Solocellist im Sinfonieorchester der beklagten Arbeitgeberin. Im Herbst 2018 bewarb er sich auf eine ausgeschriebene Stelle eines anderen Orchesters. Das Probespiel für diese Bewerbung fand an zwei aufeinanderfolgenden Tagen im November 2018 statt. An denselben beiden Tagen gab das Sinfonieorchester der Arbeitgeberin ein Sinfoniekonzert. Nachdem der Arbeitgeberin durch eine vom Kläger beantragte einstweilige Verfügung aufgegeben worden war, ihn für die Dauer des Probespiels freizustellen, nahm der Kläger an dem Probespiel teil.

Nunmehr verlangt der Kläger u.a. die Bezahlung der zwei Tage seiner Teilnahme an dem Probespiel. Er beruft sich auf die Regelung des § 40 Abs. 3 des Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern vom 31.10.2009. Danach ist dem zu einem Probespiel eingeladenen Musiker auf einen unverzüglich gestellten Antrag bis zu dreimal in der Spielzeit die erforderliche Freizeit unter Fortzahlung der Vergütung zu gewähren. Dies gilt nach dieser Regelung nicht, wenn der Musiker aus künstlerischen Gründen nicht entbehrt werden kann oder keine geeignete Vertretung zu zumutbaren Bedingungen beschafft werden kann.

Die Arbeitgeberin lehnte die Zahlung ab. Sie verwies auf die besondere Bedeutung eines Sinfoniekonzerts, die es künstlerisch erforderlich mache, dass der Solocellist als Teil der "besten Besetzung" des Orchesters spiele. Zudem berief sich die Arbeitgeberin darauf, dass ihr die Beschaffung einer Vertretung für den Kläger auch aus finanziellen Gründen nicht zumutbar sei, da sie die Aushilfe schließlich nicht nur für die zwei Tage des Konzerts, sondern auch für die vier weiteren Probetage habe bezahlen müssen.

Das ArbG gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die Arbeitgeberin muss die zwei Tage, an denen der Kläger am Probespiel teilgenommen hatte, vergüten.

Für die von § 40 Abs. 3 des Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern vom 31.10.2009 vorausgesetzte Unentbehrlichkeit aus künstlerischen Gründen kommt es nicht auf die Bedeutung des Konzerts an. Vielmehr ist entscheidend, ob das gespielte Repertoire von jedem ausgebildeten Konzertmusiker gespielt werden kann oder ob es weitergehende Fertigkeiten verlangt. Darüber hinaus ist es als zumutbar anzusehen, dass die Arbeitgeberin weitere vier Probetage für den Ersatz des Klägers bezahlen musste.
ArbG Aachen PM Nr. 2 vom 6.9.2019
Zurück