26.09.2023

Anwalt muss Vollständigkeit der PKH-Unterlagen nach Auflagenbeschluss eigenständig überprüfen

Es ist Aufgabe des Prozessbevollmächtigten, nach einem dezidierten Auflagenbeschluss des Arbeitsgerichts mit Fristsetzung die nachgereichten Unterlagen auf Vollständigkeit zu überprüfen. Trotz eines entsprechenden Hinweisverlangens des Prozessbevollmächtigten bei fehlenden Unterlagen ist das Gericht nicht verpflichtet, nochmals auf fehlende Unterlagen hinzuweisen. Außerhalb der gesetzten Frist nachgereichte Unterlagen sind nach Abschluss der Instanz vom Arbeitsgericht nicht mehr zu berücksichtigen.

LAG Schleswig-Holstein v. 19.6.2023 - 2 Ta 40/23
Der Sachverhalt:
Die Parteien stritten in der Hauptsache um Zahlungsansprüche und um ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Mit Klageerhebung am 30.3.2023 beantragte der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Das Verfahren endete durch einen Vergleich in der Güteverhandlung vom 17.4.2023. Im Gütetermin ist dem Kläger u.a. aufgegeben worden eine aktuelle Entgeltabrechnung über einen vollen Beschäftigungsmonat zur Akte zu reichen. Der Kläger ist auf die Rechtsfolgen einer nicht oder nur ungenügend beantworteten gerichtlichen Frage unter Verweis auf § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO hingewiesen worden. Ihm ist für die Einreichung der Unterlagen eine Frist bis zum 8.5.2023 gesetzt worden.

Mit Schriftsatz vom 5.5.2023 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers Unterlagen eingereicht, nicht jedoch die vom Gericht mit der Auflage vom 17.4.2023 geforderte Entgeltabrechnung über das Einkommen. Aus den eingereichten Kontoauszügen ergaben sich keinerlei Entgeltzahlungen aus angeblicher selbständiger Arbeit. Das Arbeitsgericht hat infolgedessen den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Die Einkommenssituation des Klägers könne aufgrund fehlender Unterlagen nicht abschließend beurteilt werden und Prozesskostenhilfe daher nicht, auch nicht zum Teil, bewilligt werden.

Am 23.5.2203 legte der Kläger Beschwerde gegen den ablehnenden PKH-Beschluss vom 9.5.2023 ein, legte die Gehaltsabrechnungen für März und April 2023 vor und verwies darauf, dass der Prozessbevollmächtigte am 5.5.2023 um einen richterlichen Hinweis gebeten hatte, für den Fall, dass Unterlagen fehlen würden. Stattdessen sei sogleich der angefochtene PKH-Beschluss abgesetzt worden.

Das LAG hat die sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 114 ZPO.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass es Aufgabe des Prozessbevollmächtigten sei, die durch die Partei zur Akte gereichten Unterlagen darauf hin zu überprüfen, ob durch ihre Einreichung die gerichtliche Auflage vollständig und umfassend erfüllt wird. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts nach einer deutlich formulierten, auf die Einzelheiten der fehlenden Unterlagen hinweisenden Auflage nochmals den Prozessbevollmächtigten auf das Fehlen einzelner Unterlagen hinzuweisen. Vielmehr wäre es Aufgabe des Prozessbevollmächtigten gewesen in der gesetzten Frist die eingereichten Unterlagen auf Vollständigkeit zu überprüfen und ggf. nachzufordern.

Die verspätet eingereichten Unterlagen hat das Arbeitsgericht zu Recht nicht mehr berücksichtigt. Dem Kläger war in der Güteverhandlung vom 17.4.2023 aufgegeben worden, seine Einkommensverhältnisse durch Vorlage einer Entgeltabrechnung für einen vollen Beschäftigungsmonat glaubhaft zu machen. Dem ist der Kläger innerhalb der ihm gesetzten Frist bis zum 8.5.2023 nicht nachgekommen. Über die rechtlichen Folgen einer nicht oder nur ungenügend beantworteten gerichtlichen Frage gem. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO war zuvor ausreichend hingewiesen worden.

Über einen rechtzeitig eingereichten Prozesskostenhilfeantrag mit unvollständigen Angaben und Unterlagen kann zwar auch dann noch nach Abschluss der Instanz bzw. des Verfahrens zugunsten des Antragstellers entschieden werden, wenn das Gericht eine Frist zur Nachreichung der fehlenden Unterlagen und Belege gesetzt hat. Soweit dem Antragsteller nach Ende der Instanz eine solche gerichtliche Nachfrist gesetzt worden ist, muss diese Nachfrist - anders als eine vor dem Ende der Instanz ablaufende Nachfrist - jedoch zwingend eingehalten werden. Vorliegend war der Rechtsstreit durch Abschluss des gerichtlichen Vergleichs am 17.4.2023 beendet. Der Kläger hätte daher zwingend alle geforderten Unterlagen bis zum 5.5.2023 einreichen müssen. Da dies unterbleiben ist, war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen.

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