30.09.2013

Arbeitnehmer haften für fahrlässige Verletzung eines Kollegen durch betriebsfremde Tätigkeit

Zwar haften Arbeitnehmer und Auszubildende für Verletzungen, die sie einem Kollegen bei der Arbeit zufügen, gem. § 105 Abs. 1 SGB VII nur bei Vorsatz. Voraussetzung für die Haftungsprivilegierung ist aber, dass die Verletzung durch eine "betriebliche Tätigkeit" verursacht worden ist. Hieran fehlt es, wenn ein Arbeitnehmer einen gefährlichen Gegenstand (hier: ein zehn Gramm schweres Wuchtgewicht) in Richtung eines anderen Arbeitnehmers wegwirft und den Kollegen hierdurch verletzt.

Hessisches LAG 20.8.2013, 13 Sa 269/13
Der Sachverhalt:
Sowohl der Kläger als auch der Beklagte waren Auszubildende in einer Kfz-Werkstatt. Beim Auswuchten von Autoreifen warf der Beklagte ohne Vorwarnung ein etwa zehn Gramm schweres Wuchtgewicht aus Aluminium in Richtung des Klägers und traf ihn am linken Auge. Der Kläger erlitt hierdurch u.a. eine schwere Hornhautverletzung. Er musste mehrfach operiert werden, wobei ihm eine künstliche Augenlinse eingesetzt wurde. Wegen der verbliebenen Hornhautnarbe leidet der Kläger an einer dauerhaften Sehverschlechterung und dem Verlust des räumlichen Sehvermögens.

Der Kläger nahm den Beklagten deshalb auf Schmerzensgeld und die Feststellung in Anspruch genommen, dass dieser auch zukünftig jeden Schaden aus dem Ereignis ersetzen muss. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das LAG gaben der Klage statt und sprachen dem Kläger ein Schmerzensgeld i.H.v. 25.000 Euro zu.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld. Außerdem muss der Beklagte dem Kläger auch alle Schäden ersetzen, die sich künftig aus der Augenverletzung ergeben.

Der Beklagte hat den Kläger fahrlässig an dessen Gesundheit geschädigt. Er hätte wissen können und müssen, dass ein kraftvoller Wurf mit einem Wuchtgewicht eine solche Verletzung hervorrufen kann.

Der Beklagte war auch nicht gem. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII von seiner Haftung befreit. Die Haftungsprivilegierung greift nur, wenn ein Arbeitnehmer durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall eines Kollegen verursacht.

Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, da es sich bei dem Wurf gerade nicht um eine betriebliche Tätigkeit i.S.v. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII gehandelt hat, bei der für Personenschäden nur für Vorsatz, nicht aber für Fahrlässigkeit gehaftet wird. Das Herumwerfen von Wuchtgewichten in einem Kfz-Betrieb ist vielmehr dem persönlich-privaten Bereich zuzuordnen, für den ein Arbeitnehmer in vollem Umfang haftet.

Für die Höhe des Schmerzensgeldes waren insbesondere die vom Kläger erlittenen Schmerzen, die dauerhafte Beeinträchtigung seiner Lebensführung und das Risiko weiterer Verschlechterungen des Augenlichts maßgeblich.

Hessisches LAG PM Nr. 9/13 vom 30.9.2013
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