06.06.2017

Arbeitsfehler rechtfertigen nicht ohne weiteres eine verhaltensbedingte Kündigung

Verstößt ein Arbeitnehmer durch einen Arbeitsfehler gegen seine ihm obliegenden arbeitsvertraglichen Leistungspflichten, so rechtfertigt dies nicht ohne weiteres eine verhaltensbedingte Kündigung. Es kommt auf die Interessenabwägung im Einzelfall an.

LAG Köln 24.3.2017, 4 Sa 876/16
Der Sachverhalt:
Der für fünf Kinder unterhaltspflichtige Kläger arbeitete seit dem 11.5.1999 bei dem beklagten Unternehmen mit ca.900 Angestellten als Lagerarbeiter.

Für die Verladung der Ware in die Lkw besteht eine ausdrückliche Arbeitsanweisung vom 27.8.2013, wonach sämtliche Ware erst bei der Verladung in den jeweiligen Lkw zu scannen ist und nicht bereits die gesamte Ware vor dem Beladevorgang.

Die Beklagte mahnte den Kläger erstmalig mit Schreiben vom 1.4.2015 wegen falscher Beladung eines LKW am 13.3.2015 ab. Es folgten Mahnungen vom 10./21.8.2015 wegen verspäteter Benachrichtigung über die Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit sowie eine Mahnung vom 10.8.2015 wegen erneuter Fehlbeladung eines Lkw und eine letztmalige Mahnung vom 4.11.2015 wegen verspäteter Benachrichtigung über eine Urlaubsüberschreitung. Am 4.1.2016 belud der Kläger erneut einen Lkw falsch. Es fehlten fünf Rollcontainer und eine Transportkühlbox, weswegen der Lkw am nächsten Tag nachgeladen werden musste und es zu Verzögerungen im Betriebsablauf kam.

Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis aufgrund des Vorfalls vom 4.1.2016 mit ordentlicher Kündigungsfrist zum 31.7.2016. Der Kläger hat hiergegen vor dem Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage erhoben. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das LAG gaben der Klage statt.

Die Gründe:
Die ordentliche Kündigung ist unwirksam, da sie nicht sozial gerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG ist. Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer mit seinem Verhalten schuldhaft eine Vertragspflicht erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch beeinträchtigt wird, eine dem Arbeitgeber zumutbare Möglichkeit der Weiterbeschäftigung nicht besteht und unter beidseitiger Interessenabwägung die Vertragsauflösung angemessen ist.

Im vorliegenden Fall fällt die Interessenabwägung zugunsten des Klägers aus. Grundsätzlich können zwar auch qualitative Minderleistungen, die die arbeitsvertraglichen Leistungspflichten verletzen, dazu geeignet sein, eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen. Der Arbeitsvertrag verpflichtet den Arbeitnehmer auch dazu, seine Arbeit mit dem ihm zustehenden subjektiven Leistungsvermögen sorgfältig und aufmerksam zu erledigen und dabei ein ordentliches, mindestens durchschnittliches Arbeitsergebnis zu erzielen.

Im Streitfall ist das Arbeitsverhältnis aufgrund nicht unerheblichen mehrmaligen gleichartigen Fehlverhaltens des Klägers seit März 2015 nicht mehr störungsfrei. Trotzdem ist die Kündigung unwirksam, denn zu seinen Gunsten ist zu berücksichtigen, dass er zum Zeitpunkt der Kündigung bereits sechzehneinhalb Jahre für die Beklagte gearbeitet hat und dies bis März 2015 nahezu störungsfrei. Zudem ist dem Kläger am 4.1.2016 lediglich ein Arbeitsfehler unterlaufen; eine nochmalige Abmahnung wäre daher angemessen gewesen. Zugunsten des Klägers fallen außerdem seine Unterhaltspflichten ins Gewicht.

Linkhinweis:
Für den auf den Webseiten der Justiz Nordrhein-Westfalen veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

Justiz NRW online
Zurück