02.05.2013

Auf eigenen Wunsch ausgeschiedene Arbeitnehmer können sich Jahre später nicht auf Schriftformverstoß berufen

Scheidet ein Arbeitnehmer, der unbedingt und schnell zu einem anderen Unternehmen wechseln möchte, lediglich aufgrund eines mündlichen Aufhebungsvertrags aus dem Arbeitsverhältnis aus, so kann er sich Jahre später regelmäßig nicht mehr auf einen Verstoß gegen die Schriftformpflicht des § 623 BGB berufen. Die Berufung auf das Schriftformerfordernis ist in diesem Fall treuwidrig. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer bereits ein neues Arbeitsverhältnis mit einem dritten Arbeitgeber eingegangen ist.

Hessisches LAG 26.2.2013, 13 Sa 845/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war ursprünglich bei der Beklagten als Sachbearbeiterin beschäftigt. Bereits 2006 hatte sie ihr Interesse an einer Tätigkeit bei einem Schwesterunternehmen der Beklagten in der Schweiz bekundet. 2007 wurde bei dem Schweizer Unternehmen eine Stelle frei. Die Klägerin wurde hierüber informiert und nahm das Angebot, kurzfristig zu dem Unternehmen zu wechseln, an.

Von der Beklagten erhielt sie am 14.6.2007 folgendes Schreiben:

"Wir freuen uns, dass sie bereit sind, ihre berufliche Karriere ab dem 1.7.2007 bei ... fortzusetzen. Mit Ihrer Flexibilität beweisen Sie, dass Sie ein "echter Macher" im Sinne unserer Unternehmensleitlinien sind. (...) Der Form halber kurz: Ihr Anstellungsverhältnis mit uns endet zum 30.6.2007. (...)"

Im August 2011 kündigt das Schweizer Unternehmen der Klägerin zum 30.11.2011. Daraufhin leitete die Klägerin folgende Schritte ein:

  • Sie verklagte das schweizer Unternehmen auf Zahlung einer Abfindung ("Abgangsentschädigung") unter Anrechnung ihrer Vorbeschäftigungszeiten bei der Beklagten,
  • machte gegenüber der Beklagten klageweise einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung geltend und
  • nahm ein neues Arbeitsverhältnis bei einem dritten Arbeitgeber in der Schweiz auf.

Das Arbeitsgericht gab der Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten fortbesteht, statt. Auf die Berufung der Beklagten hob das LAG diese Entscheidung auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Klägerin kann von der Beklagten keine Weiterbeschäftigung verlangen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist am 30.6.2007 beendet worden. Jedenfalls kann sich die Klägerin auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über dieses Datum hinaus nicht berufen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien hat zwar in der Tat keine formgerechte Beendigung i.S.v. § 623 BGB gefunden. Denn das Schreiben der Beklagten vom 14.6.2007 stellte keine Kündigung dar. Hierin lag auch kein schriftlicher Aufhebungsvertrag, da es insoweit an einer Unterschrift der Klägerin fehlte.

Der Klägerin ist es aber unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) versagt, sich jetzt noch auf diesen Formmangel zu berufen. Es liegt ein Fall von widersprüchlichem Verhalten ("venire contra factum proprium") vor. Denn die Klägerin selbst wollte 2007 unbedingt und noch vor Ablauf der (Eigen-)Kündigungsfrist zum Schwesterunternehmen der Beklagten wechseln. Die Beklagte hat ihr insoweit nicht nur keine Steine in den Weg gelegt, sondern sogar einen reibungslosen Wechsel möglich gemacht.

In der Folgezeit arbeitete die Klägerin jahrelang in der Schweiz und erinnerte sich erstmals nach ihrer Kündigung im Jahr 2011 wieder daran, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten noch nicht beendet sein könnte. Zu berücksichtigen ist auch ihr Wechsel zu einem dritten Arbeitgeber. Damit hat sie deutlich gemacht, dass sie seit ihrem Ausscheiden bei der Beklagten im Jahre 2007 selbst nie an einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten geglaubt hat und auch jetzt eigentlich kein Interesse hat, bei der Beklagten zu arbeiten. Darauf durfte sich die Beklagte einstellen.

Linkhinweis:
Für den auf den Webseiten des Hessischen LAG veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier (PDF-Datei).

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