06.07.2021

Beschaffung und Nutzung von Dienstwägen für private Zwecke unzulässig

Das LSG Stuttgart hatte über eine Klage der Unfallkasse Baden-Württemberg gegen einen aufsichtsrechtlichen Bescheid zu entscheiden, in welchem der Kasse ein Verstoß gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei der Ermittlung des Bedarfs an Dienstwägen vorgeworfen wurde.

LSG Stuttgart v. 29.6.2021 - L 6 U 2716/20 KL
Der Sachverhalt:
Die Unfallkasse Baden-Württemberg ist Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung u.a. für Beschäftigte in Landes- und Gemeindeunternehmen sowie für Kapitalgesellschaften, an denen das Land oder Gemeinden mehrheitlich beteiligt sind.

Im März 2017 wies das Land Baden-Württemberg als zuständige Aufsichtsbehörde die Unfallkasse darauf hin, dass die im Rahmen einer Stellenausschreibung (für einen Abteilungsleiter Prävention) angebotene private Dienstwagennutzung nicht zu deren Aufgaben gehöre und gegen die Grundsätze der Wirtschaftlich- und Sparsamkeit verstoße.

Die Unfallkasse erwiderte, von derzeit 35 dienstlichen Fahrzeugen seien 28 einzelnen ihrer insgesamt 312 Mitarbeiter fest zugeordnet. Diese dürften die Fahrzeuge auch privat nutzen. Nach einer Vorstandsrichtlinie verpflichte sich jeder berechtigte Mitarbeiter, dienstlich mindestens 6.000 km jährlich zu fahren. Ansonsten verliere er den Anspruch auf Dienstwagennutzung. Parallel hierzu könne jeder Dienstwagennutzer private Kilometer mit dem Fahrzeug zurücklegen, sei aber verpflichtet, mit einem Fahrtenbuch dienstliche und private Fahrten zu erfassen. Aus den gefahrenen Jahreskilometern würden dann die Kilometerkosten je Dienstfahrzeug ermittelt und anteilig auf die privaten und dienstlichen Kilometer verteilt. Jeder Dienstwagennutzer erstatte dann für die privat gefahrenen Kilometer seine Kosten ggü. der Unfallkasse. Ihr Konzept zur Überlassung von Dienstwagen sei das wirtschaftlichste und kostensparendste aller Unfallversicherungsträger.

Nach aufsichtsrechtlicher Beratung verpflichtete das Land die Unfallkasse, ihren Beschäftigten diejenigen personenbezogenen Dienstfahrzeuge nicht mehr zur Verfügung zu stellen, bei denen die Unwirtschaftlichkeit mangels ausreichender dienstlicher Nutzung offensichtlich war, und zu prüfen, ob stattdessen eine bevorzugte Nutzung von Pool-Fahrzeugen in Betracht komme. Künftig seien personenbezogene Dienstfahrzeuge nur noch dann zu beschaffen, wenn von deren Wirtschaftlichkeit allein unter Zugrundelegung der dienstlichen Laufleistung, mindesten 90 Nutzungstagen und Kosten pro Kilometer im Rahmen der Wegstreckenentschädigung i.H.v. 0,35 € ausgegangen werden könne. Zur Begründung führte das Land aus, Betriebsmittel dürften nur für gesetzlich oder durch Satzung vorgesehene Aufgaben verwendet werden. Wenn Fahrzeuge wie von der Unfallkasse über das erforderliche Maß hinaus beschafft würden, widerspreche dies den gesetzlichen Vorgaben. Da die Unfallkasse gemäß ihrer Richtlinie bei personenbezogenen Fahrzeugen von lediglich 6.000 km dienstlicher Nutzung bzw. 16.000 km Gesamtlaufleistung ausgehe, überschreite sie das Maß an zulässigen Beschaffungen schon dadurch, dass sie so eine überwiegend private Nutzung der personenbezogenen Fahrzeuge ermögliche. Zudem sei eine rein dienstliche Jahreslaufleistung von nur 6.000 km unwirtschaftlich. Die Unfallkasse habe aufgrund ihrer Treuhänderfunktion ggü. ihren Mitgliedern Verwaltungsaufgaben mit dem geringstmöglichen Aufwand zu bestreiten. Demnach müsse sich die Wirtschaftlichkeit eines Dienstfahrzeuges zwangsläufig ausschließlich aus der dienstlichen Nutzung und nicht erst in Kombination mit einer zusätzlichen privaten Nutzung ergeben.

Die hiergegen gerichtete Klage der Unfallkasse hat das LSG abgewiesen.

Die Gründe:
Die Klägerin hat durch die Zurverfügungstellung personenbezogener Dienstwägen und die unwirtschaftliche Nutzung ihres Fahrzeugbestandes ihr Selbstverwaltungsrecht überschritten. Auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes einer maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht bewegt sich das Handeln der Unfallkasse nicht mehr im Bereich des rechtlich noch Vertretbaren. Die Klägerin hat sich bei der Bedarfsermittlung an Dienstkraftwagen von sachfremden, nicht mehr vertretbaren Erwägungen leiten lassen, indem sie durch die Berücksichtigung von privaten Kilometern einen deutlich höheren Bedarf ermittelt und gedeckt hat.

Die Unfallkasse überschreitet auch ihren gesetzlichen Aufgabenbereich, indem sie die private Nutzung nicht nur erlaubt, sondern nach ihrem eigenen Vorbringen zufolge sogar wünscht, um über die damit verbundene höhere Jahreslaufleistung der Dienstkraftfahrzeuge günstigere Leasingkonditionen erzielen zu können. Zum Aufgabenspektrum der Klägerin gehört eindeutig nicht die Überlassung von mit Mitteln der Versichertengemeinschaft finanzierten Dienstfahrzeugen an ihre Mitarbeiter zur privaten Nutzung. Die Verfahrensweise der Unfallkasse führt dazu, dass neben höheren Sachkosten für die Fahrzeuge auch Personalkosten für die Verwaltung und insbesondere für die Abrechnung des Fuhrparks generiert werden. Diese zusätzlichen Kosten sind letztlich von den Beitragszahlern zu tragen. Die Unfallkasse hat nach eigenen Angaben mehr als 10 % ihrer Mitarbeiter ein Kraftfahrzeug zur Verfügung gestellt (35 Kraftfahrzeuge bei 312 Mitarbeitern); hochgerechnet auf mehr als 300.000 Landesbeschäftigte müsste Baden-Württemberg bei gleicher Handhabe über 30.000 Kraftfahrzeuge beschaffen und seinen Bediensteten als Dienstwägen zur Verfügung stellen. Dies verdeutlicht den außerordentlich hohen Umfang der dienstlichen Kraftfahrzeugflotte der Unfallkasse. Die Definition des Wirtschaftlichkeitsmaßstabes durch das Land i.H.v. 0,35 € je Kilometer orientiert sich auch zulässigerweise an den landesreisekostenrechtlichen Bestimmungen.

 

LSG Stuttgart PM vom 5.7.2021
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