18.10.2011

Betriebsänderung: Für Schwellenwert i.S.v. § 111 Satz 1 BetrVG können auch Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sein

Nach § 111 Satz 1 BetrVG müssen Arbeitgeber bei Betriebsänderungen in Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich beraten. Bei der Ermittlung dieses Schwellenwerts sind auch Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, sofern sie länger als drei Monate im Unternehmen eingesetzt sind. Unterbleibt die Beratung, so haben im Zuge der Betriebsänderung gekündigte Arbeitnehmer aus § 113 Abs. 3 BetrVG einen Anspruch auf Nachteilsausgleich.

BAG 18.10.2011, 1 AZR 335/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger war bei der Beklagten, die sich mit dem Verkauf und dem Verlegen von Bodenbelägen befasst, als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Die Beklagte beschäftigte regelmäßig 20 eigene Arbeitnehmer sowie seit Anfang November 2008 eine Leiharbeitnehmerin. Ende Mai 2009 kündigte die Beklagte allen elf gewerblichen Arbeitnehmern. Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich lehnte sie ab.

Der im Zuge dieser Betriebsänderung entlassene Kläger nahm die Beklagte auf Nachteilsausgleich in Anspruch. Der Arbeitsplatzabbau sei eine interessenausgleichspflichtige Betriebsänderung, weil die Beklagte unter Berücksichtigung der Leiharbeitnehmerin 21 - und damit mehr als 20 - wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt habe.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt; das LAG wies sie ab. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem BAG Erfolg.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte aus § 113 Abs. 3 BetrVG einen Anspruch auf Nachteilsausgleich. Nach dieser Vorschrift bestehen Nachteilsausgleichsansprüche i.S.v. Abs. 1 und 2 auch dann, wenn

  • der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben,
  • und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Es liegt insbesondere eine Betriebsänderung i.S.v. § 111 BetrVG vor. Bei der Ermittlung des Schwellenwerts von mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern sind auch Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, die länger als drei Monate im Unternehmen eingesetzt sind, obwohl sie nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Entleiher stehen. Danach war vorliegend der Schwellenwert erreicht, da auch die länger als ein halbes Jahr im Unternehmen eingesetzte Leiharbeitnehmerin insoweit zu berücksichtigen war. Zusammen mit ihr beschäftigte die Beklagte im Zeitpunkt der Betriebsänderung 21 Arbeitnehmer.

Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidungen wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.

BAG PM Nr. 79 vom 18.10.2011
Zurück