19.03.2013

Betriebsrat darf Arbeitgeber nicht vorschnell wegen Verletzung von Auskunftspflichten anzeigen

Der Betriebsrat verletzt seine Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber aus § 2 Abs. 1 BetrVG, wenn er den Arbeitgeber zur Unzeit wegen einer angenommenen Ordnungswidrigkeit nach § 121 BetrVG anzeigt. Eine solche Pflichtverletzung rechtfertigt allerdings nicht ohne weiteres die Auflösung des Betriebsrats. Das gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber nicht unwesentlich zu den zwischen den Betriebsparteien aufgetretenen Spannungen beigetragen hat.

ArbG Berlin 31.1.2013, 4 BV 16641/12
Der Sachverhalt:
Arbeitgeber und Betriebsrat stritten über die Beteiligung des Betriebsrats im Zusammenhang mit einer Umstrukturierungsmaßnahme. Im Zuge dieser Auseinandersetzung zeigte der Betriebsrat den Arbeitgeber gem. § 121 BetrVG an. Hiernach handelt ein Arbeitgeber ordnungswidrig, wenn er bestimmte Aufklärungs- oder Auskunftspflichten (u.a. aus § 111 BetrVG) nicht, wahrheitswidrig, unvollständig oder verspätet erfüllt.

Der Arbeitgeber sah in der aus seiner Sicht vorschnellen Anzeige des Betriebsrats eine grobe Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten und beantragte aus diesem Grund die gerichtliche Auflösung des Betriebsrats. Hiermit hatte er vor dem Arbeitsgericht keinen Erfolg. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Der Betriebsrat ist nicht aufzulösen. Nach § 23 Abs. 1 BetrVG setzt die Auflösung voraus, dass der Betriebsrat seine gesetzlichen Pflichten in grober Art und Weise verletzt hat. Im Streitfall liegt zwar eine Pflichtverletzung vor. Diese rechtfertigt aber bei Abwägung der Gesamtumstände noch keine Auflösung des Betriebsrats.

Der Betriebsrat hat mit seiner Anzeige gegen seine Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit aus § 2 Abs. 1 BetrVG verstoßen. Eine solche Anzeige kann das Ansehen des Arbeitgebers und das Vertrauen der Belegschaft in dessen Redlichkeit erschüttern. Der Betriebsrat darf sie daher erst nach gründlicher Prüfung des Sachverhalts sowie erst dann erstatten, wenn weitere Versuche, den Arbeitgeber zur Einhaltung der gesetzlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte zu bewegen, aussichtslos erscheinen. Eine solche Sachverhaltsgestaltung lag hier nicht vor.

Der Arbeitgeber hat allerdings durch sein Verhalten nicht unwesentlich zu den Spannungen mit dem Betriebsrat beigetragen. Dies relativiert die Pflichtverletzung des Betriebsrats und führt im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung dazu, dass die Pflichtverletzung noch nicht so grob erscheint, dass sie eine Auflösung des Betriebsrats rechtfertigen könnte.

Arbeitsgericht Berlin PM v. 13.3.2013
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