28.05.2013

Betriebsratsgründung: Bewerber für den Wahlvorstand genießen keinen besonderen Kündigungsschutz

Der besondere Kündigungsschutz gem. § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG i.V.m. § 103 Abs. 1 BetrVG für Mitglieder eines Wahlvorstands und Wahlbewerber gilt nicht für Bewerber für das Amt des Wahlvorstands. Das folgt bereits aus dem Wortlaut der beiden Normen. Im Übrigen bestünde anderenfalls - gerade im Vorfeld der erstmaligen Wahl eines Betriebsrats - die Gefahr, dass sich im Rahmen einer Betriebsversammlung zahlreiche Arbeitnehmer durch eine Bewerbung für den Wahlvorstand einen besonderen Kündigungsschutz verschaffen könnten.

LAG Hamm 15.3.2013, 13 Sa 6/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger war bei der Beklagten, die Wellpappen für Verpackungen und Displays produziert, als Produktionsmitarbeiter beschäftigt.

Auf Einladung der Gewerkschaft ver.di sollte bei der Beklagten am 10.2.2012 eine Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands für eine erstmalige Betriebsratswahl stattfinden. Zu den von ver.di vorgeschlagenen Kandidaten für den Wahlvorstand gehörte u.a. der Kläger. Zu einer wirksamen Wahl kam es aber schließlich nicht, da ein vor Ankunft der Gewerkschaftssekretäre gewählter "Versammlungsleiter" die Versammlung schloss, weil ausweislich des von ihm erstellten Protokolls einstimmig beschlossen worden war, keinen Betriebsrat zu wählen.

Mit inzwischen rechtskräftigem Beschluss bestellte das Arbeitsgericht einen Wahlvorstand, wobei der Kläger keine Berücksichtigung fand. Wenige Tage nach der gescheiterten Betriebsversammlung kritisierte der Kläger in einer im Auftrag von ver.di erstellten online-TV-Sendung ("Streik.TV") die Arbeitsbedingungen bei der Beklagten und behauptete dabei, dass in dem Betrieb keine Fachkräfte vorhanden seien. Das Video wurde u.a. über YouTube und den Facebook-Account des Klägers verbreitet.

Die Beklagte kündigte dem Kläger zunächst ordentlich wegen wiederholter Verspätungen trotz Abmahnung. Als sie von dem Video erfuhr, kündigte sie zudem außerordentlich. Die hiergegen gerichtete Klage, mit der sich der Kläger insbesondere auf den Sonderkündigungsschutz gem. §§ 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG, 103 Abs. 1 BetrVG berief, hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG keinen Erfolg. Das LAG ließ allerdings wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum BAG zu.

Die Gründe:
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wirksam außerordentlich gekündigt.

Dem stehen nicht die Bestimmungen des § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG i.V.m. § 103 Abs. 1 BetrVG entgegen. Als bloßer Bewerber für das Amt des Wahlvorstands kommt der Kläger nach zutreffender h.M. noch nicht in den Genuss des besonderen Kündigungsschutzes. Das folgt schon aus dem Wortlaut der Normen, der Mitglieder des Wahlvorstands der Gruppe der Wahlbewerber gegenüberstellt. Bei Letzteren handelt es sich begrifflich um Bewerber für die Wahl zum Betriebsrat (vgl. §§ 6 ff. WO), nicht aber zum Wahlvorstand.

Im Übrigen bestände anderenfalls gerade im Vorfeld der erstmaligen Wahl eines Betriebsrats die Gefahr, dass im Rahmen einer Betriebsversammlung nach § 17 Abs. 2 BetrVG eine Vielzahl von Arbeitnehmern sich durch eine in zahlreichen Fällen gar nicht verlässlich feststellbare Bewerbung für die Wahl zum Wahlvorstand einen besonderen Kündigungsschutz verschaffen könnte. Dies würde auch dem in § 15 Abs. 3a Satz 1 Hs. 2 KSchG zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willen, den Kreis der schutzbedürftigen Arbeitnehmer im Vorfeld einer Betriebsratswahl zu beschränken, widersprechen.

In dem im Internet verbreiteten Video hat der Kläger bewusst wahrheitswidrig behauptet, im Betrieb der Beklagten seien keine Fachkräfte vorhanden. Ihm musste klar sein, dass sich dieses Video geschäftsschädigend für die Beklagte auswirken konnte. Im Übrigen hat die Beklagte unwidersprochen und nachvollziehbar auf die konkrete Gefahr hingewiesen, dass das Video potentielle Bewerber abschrecken könnte. Die Äußerungen des Klägers in dem Video stellen nach alledem einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 BGB dar, der unter den vorliegenden Umständen die außerordentliche Kündigung rechtfertigt.

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