18.07.2019

Dauernachtwache erhält Nachtzuschlag i.H.v. 20 %

Der Zuschlag nach § 6 Abs. 5 ArbZG für eine Dauernachtwache in einem Pflegeheim, die für den Arbeitgeber gesetzlich verpflichtende Nachtarbeit leistet, beträgt 20 %. Er setzt sich zusammen aus dem Grundzuschlag für gesetzlich vorgeschriebene Nachtarbeit von 15 % und eine Erhöhung von weiteren 5 % für den Umstand der Dauernachtwache.

LAG Baden-Württemberg v. 11.1.2019 - 9 Sa 57/18
Der Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt bundesweit mehrere Altersheime, darunter auch die Seniorenresidenz, in welcher die Klägerin als Altenpflegerin arbeitet. Die Klägerin wird als Dauernachtwache zwischen 20 und 6 Uhr eingesetzt. Sie erhielt einen Nachtzuschlag i.H.v. 15 %. Anfang 2018 erhöhte die Beklagte den Zuschlag auf 20 %, jedoch nicht rückwirkend.

Die Klägerin verlangte nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung eine Erhöhung ihres Nachtzuschlages auf insgesamt 30 % für einen Zeitraum vor der Erhöhung des Nachtzuschlags auf 20 %. Außerdem könne sie für jeden Monat, in welchem nur 15 % Zuschlag auf Nachtarbeit geleistet wurde, noch eine Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB beanspruchen.

Das ArbG gab der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten war vor dem LAG teilweise erfolgreich. Die Revision zum BAG wurde zugelassen.

Die Gründe:
Der Klägerin steht ein Nachtzuschlag gem. 6 Abs. 5 ArbZG i.H.v. 20 % zu.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Nachtarbeitnehmer nach § 2 Abs. 5 ArbZG für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag zu gewähren. Auf Nachtarbeit kann trotz ihrer Gesundheitsschädlichkeit nicht völlig verzichtet werden. Es soll jedoch zumindest ein angemessener Ausgleich für die mit der Nachtarbeit verbundenen Beeinträchtigungen gewährt werden. Der Zuschlag dient dabei nur mittelbar dem Gesundheitsschutz. Die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers wird verteuert, um auf diesem Weg Nachtarbeit einzudämmen; Nachtarbeit soll für den Arbeitgeber weniger attraktiv sein. Eine bestimmte Höhe für den Zuschlag ist dabei nicht explizit vorgegeben. Vielmehr handelt es sich bei der Bestimmung des angemessenen Ausgleichs um die Ausfüllung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die letztlich den Gerichten für Arbeitssachen obliegt, wenn Streit über dessen Umfang besteht.

Ein Zuschlag i.H.v. 25 % stellt regelmäßig einen angemessenen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit i.S.v. § 6 Abs. 5 ArbZG dar. Unabhängig von den anderen Zwecken der steuerrechtlichen Regelung in § 3b Abs.1 Nr. 1 EStG kann aus ihr jedenfalls entnommen werden, dass auch der Gesetzgeber eine solche Größenordnung grundsätzlich als angemessen akzeptiert hat. Üblicherweise kommt eine Erhöhung oder Verminderung des Umfangs in Betracht, wenn Umstände im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung zu einer höheren oder geringeren Belastung führen. Bei der Erbringung von Dauernachtarbeit ist deshalb regelmäßig ein Nachtarbeitszuschlag i.H.v. 30 % als angemessen anzusehen. Andererseits kann ein geringerer Ausgleich erforderlich sein, wenn die Belastung durch die Nachtarbeit im Vergleich zum Üblichen geringer ist, weil zum Beispiel in dieser Zeit in nicht unerheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt.

Nach der Art der Arbeitsleistung ist auch zu beurteilen, ob der vom Gesetzgeber mit dem Lohnzuschlag verfolgte Zweck, im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers Nachtarbeit zu verteuern und auf diesem Weg einzuschränken, zum Tragen kommen kann. Dies kommt in Betracht, wenn die Nachtarbeit aus zwingenden technischen Gründen oder aus zwingend mit der Art der Tätigkeit verbundenen Gründen bei wertender Betrachtung vor dem Hintergrund des Schutzzwecks des § 6 Abs. 5 ArbZG unvermeidbar ist. Auch in einem solchen Fall ist ein Zuschlag von 10 % aber regelmäßig die Untergrenze dessen, was als angemessen angesehen werden kann.

Die Anwendung dieser Grundsätze führt zu dem Ergebnis, dass für die Tätigkeit der Klägerin ein Zuschlag für deren Nachtarbeit i.H.v. 20 % angemessen ist. Auszugehen ist von grundsätzlich 25 %. Zu berücksichtigen ist im konkreten Fall sodann zum einen, dass es sich bei der von der Klägerin geleisteten Nachtarbeit um gesetzlich angeordnete Nachtarbeit im Interesse des Gemeinwohls handelt. Dies hat einen Abschlag zufolge, da der Lenkungszweck des Nachtarbeitszuschlags nicht erreicht werden kann. Die Höhe eines solchen Abschlags ist zwar ebenfalls nicht festgelegt. Eine Untergrenze von 10 % wurde jedoch zuvor schon akzeptiert. Da sich die Arbeitsleistung der Klägerin nicht sonderlich von sonstigen Nachtdiensten und Nachtarbeit unterscheidet, ist eine Verringerung des Zuschlags auf 10% unangemessen. Da es sich vielmehr um "Normalarbeit" handelt, erscheint ein Zuschlag von 15 % angemessen. Weiterhin ist noch zu berücksichtigen, dass die Klägerin eine insoweit vermeidbare Dauernachtarbeit ausführt, was zu einer Erhöhung des Zuschlags führen kann. Eine Erhöhung von 5 Prozentpunkten erscheint hier für die zusätzlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Dauernachtarbeit angemessen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB. § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG schließt als spezielle arbeitsrechtliche Regelung auch materiell-rechtliche Kostenerstattungspflichten aus. Mit dieser Norm hat der Gesetzgeber die abschließende Grundentscheidung getroffen, das Kostenrisiko in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten dadurch überschaubar zu halten, dass jede Partei von vornherein weiß, dass sie stets und maximal nur das zu tragen hat, was sie selbst aufwendet. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung darf grundsätzlich nicht durch Zubilligung materiell-rechtlicher Kostenerstattungspflichten unterlaufen werden.
LAG Baden-Württemberg
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