23.06.2021

Die DHV ist nicht tariffähig

Die DHV - Die Berufsgewerkschaft e.V. (DHV) ist nicht tariffähig. Es fehlt angesichts ihres vergleichsweise geringen Organisationsgrads an der erforderlichen Durchsetzungskraft gegenüber der Arbeitgeberseite. Die DHV kann daher nicht wirksam Tarifverträge abschließen.

BAG v. 22.6.2021 - 1 ABR 28/20

Der Sachverhalt:
Die im Jahr 1950 gegründete DHV verstand sich nach ihrer 1972 geltenden Satzung als eine Gewerkschaft der Angestellten im Handel, in der Industrie und dem privaten und öffentlichen Dienstleistungsbereich, seit 2002 als eine Gewerkschaft von Arbeitnehmern, die überwiegend in kaufmännischen und verwaltenden Berufen tätig waren. Seit der Satzung von 2014 erstreckt sich die Tarifzuständigkeit auf Arbeitnehmer in unterschiedlichsten Bereichen, so u.a. private Banken und Bausparkassen, Versicherungsgewerbe, Einzel- und Binnengroßhandel, Krankenhäuser in privatrechtlicher Rechtsform, Rettungsdienste, Deutsches Rotes Kreuz, Fleischwarenindustrie, Reiseveranstalter, Textilreinigung, Einrichtungen der privaten Alten- und Behindertenpflege sowie IT-Dienstleistungsunternehmen für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte.

Die DHV verfügt nach eigenen Angaben über 66.826 Mitglieder, die in ihrem satzungsmäßigen Zuständigkeitsbereich beschäftigt sind. Dieser erfasst laut DHV ca. 6,3 Mio. Arbeitnehmer, was einem Gesamtorganisationsgrad von etwa einem Prozent entspricht. In den einzelnen Zuständigkeitsbereichen schwankt ihr Organisationsgrad zwischen ungefähr 0,3 %(kaufmännische und verwaltende Berufe bei kommunalen Arbeitgebern) und 2,4 % (Versicherungsgewerbe).

In einem u.a. von den Gewerkschaften IG Metall, ver.di und NGG eingeleiteten Beschlussverfahren begehren die Antragsteller die Feststellung, dass die DHV nicht tariffähig ist. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben, das LAG hat ihn abgewiesen. Diese Entscheidung wurde vom BAG aufgehoben und an das LAG zurückverwiesen (s. BAG-Pressemitteilung Nr. 35/18). Gegen die Feststellung des LAG, die DHV seit nach ihrer letzten Satzung aus 2015 nicht mehr tariffähig, richtet sich die vom DHV erhobene Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.

Die Gründe:
Das BAG macht deutlich, dass die Tariffähigkeit eine Durchsetzungskraft der Vereinigung gegenüber der Arbeitgeberseite voraussetzt. Die Arbeitnehmervereinigung müsse über eine hinreichende organisatorische Leistungsfähigkeit in einem zumindest nicht unbedeutenden Teil des beanspruchten Zuständigkeitsbereichs verfügen. Diese soziale Mächtigkeit werde regelmäßig durch die Zahl der organisierten Arbeitnehmer vermittelt. Bei der DHV könne nicht prognostiziert werden, dass diese in ihrem eigenständig bestimmten Zuständigkeitsbereichen über die notwendige mitgliedervermittelte Durchsetzungsfähigkeit verfügt. Die DHV könne ihre soziale Mächtigkeit auch nicht aus ihrer Teilnahme am Tarifgeschehen auf der Grundlage ihrer aktuellen Satzung herleiten.

BAG PM Nr. 15/21 v. 22.6.2021
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