10.07.2012

Die fristlose Kündigung eines Lehrers kann trotz eines - im Reflex ausgeführten - Schlages gegen eine Schülerin unwirksam sein

Die Einzelfallabwägung in einem konkreten Fall kann ergeben, dass ein Lehrer, der eine Schülerin geschlagen hat, nicht gekündigt wird. Im Rahmen der vorliegenden Kündigungsschutzverfahren konnte letztendlich nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei der Handlung des Lehrers um einen Reflex im Zusammenhang mit eskalierenden Verhaltensweisen von Schülern handelte.

LAG Schleswig-Holstein 22.9.2011, 4 Sa 404/10
Der Sachverhalt:
Das Verfahren betrifft Kündigungsschutzklagen eines Lehrers gegen das Land Sachsen-Anhalt. Dem Kläger wurde von seinem Arbeitgeber vorgeworfen, eine Schülerin geschlagen zu haben. Die Einlassung des Pädagogen, die Schülerin habe ihn nach vorherigen Beschimpfungen auf seine erkrankte Schulter geschlagen, so dass seine Handlung sich als Abwehrreflex dargestellt habe, hatte der Arbeitgeber im Hinblick auf den Beruf des Pädagogen, der eine Lösung von Disziplinproblemen durch Handgreiflichkeiten ausschließe, nicht akzeptiert.

Das beklagte Land sprach am 8.3.2010 zunächst eine fristlose Kündigung und am 27.8.2010 hilfsweise eine ordentliche fristgerechte Kündigung aus. Hiergegen richten sich die beiden Kündigungsschutzklagen des Klägers.

Das ArbG stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Land Sachsen-Anhalt durch keine der beiden Kündigungen aufgelöst worden sei und gab den Klagen statt. Die gegen die fristlose Kündigung gerichtete Berufung des beklagten Landes hatten vor dem LAG Sachsen-Anhalt keinen Erfolg. Die Revision zum BAG wurde nicht zugelassen. Über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündung ist noch keine Berufungsentscheidung ergangen.

Die Gründe:
Die fristlose Kündigung vom 8.3.2010 ist unwirksam und hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht aufgelöst.

Die Entscheidung beruht auf Einzellfallerwägungen. Vor allem aufgrund der umfangreichen Beweisaufnahme - es wurden elf Lehrer und Schüler als Zeugen vernommen - hat sich ergeben, dass eine besondere Situation vorgelegen hat, in welcher das Handeln des Lehrers im Zusammenhang mit eskalierenden Verhaltensweisen von Schülern gestanden hat. Der Personalrat hatte bereits in seiner Stellungnahme zur fristlosen Kündigung vom 26.2.2010 auf die besondere Situation der Auseinandersetzung hingewiesen. Zudem konnte letztendlich nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei der Handlung des Lehrers um einen Reflex handelte.

LAG Sachsen-Anhalt PM vom 22.9.2011
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