12.05.2020

Diesel-Skandal: Fristlose Kündigung des ehemaligen Hauptabteilungsleiters Dieselmotorenentwicklung der Volkswagen AG unwirksam

Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam, weil VW die Kündigung nicht innerhalb der für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nach dem Gesetz maßgeblichen Zwei-Wochen-Frist ab Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen ausgesprochen hat. Das hat das ArbG Braunschweig in einem Teil-Urteil entschieden. Für die Beurteilung der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung hat das ArbG einen Termin zur Beweisaufnahme im Oktober bestimmt.

ArbG Braunschweig v. 11.5.2020 - 8 Ca 451/18
Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung und Weiterbeschäftigung. Weiterhin verlangt er von der Arbeitgeberin Schadensersatz wegen Datenschutzverstößen, die Freistellung von Prozesskosten und eine Bonuszahlung.

Die Arbeitgeberin wirft dem Kläger zur Begründung der streitgegenständlichen Kündigungen vor, er habe die Entwicklung einer unerlaubten Abgassoftware für den Markt in den USA trotz frühzeitiger Kenntnis ab dem Jahr 2006 gebilligt und deren Verwendung nicht verhindert. Außerdem habe er an der Bewerbung der Produkte, in denen die manipulierte Software zum Einsatz kam, mitgewirkt. Der Kläger macht demggü. geltend, er habe keine Kenntnis vom Einsatz einer unerlaubten Abgassoftware gehabt. Er erachtet die Kündigungen daher für unwirksam und begehrt Weiterbeschäftigung als Leiter des Standortes Kassel (Baunatal) der Arbeitgeberin.

Weiterhin verlangt der Kläger von der Arbeitgeberin Schadensersatz für die Weitergabe seiner personenbezogenen Daten an Dritte im Rahmen des VW-internen Ermittlungsverfahrens bezüglich des Dieselskandals sowie wegen nicht erfüllter Auskunftsansprüche in Bezug auf seine personenbezogenen Daten. Diesbzgl. ist zwischen den Parteien im Streit, ob Daten weitergegeben werden durften bzw. ob und inwieweit die Arbeitgeberin dem Kläger auskunftsverpflichtet ist und inwiefern die vorgeworfenen Pflichtverletzungen zu Schadensersatzansprüchen führen können.

Bzgl. der vom Kläger geltend gemachten Freistellung von Prozesskosten streiten die Parteien darüber, ob die Arbeitgeberin durch die zwischenzeitliche Erhebung einer Schadensersatzklage gegen den Kläger, die sie mittlerweile wieder zurückgenommen hat, dem Kläger in vorsätzlicher und sittenwidriger Weise Prozesskosten verursacht hat. Diesen Vorwurf weist die Arbeitgeberin zurück. Schließlich verlangt der Kläger von der Arbeitgeberin eine Bonuszahlung für das Jahr 2018, die zumindest der Höhe nach zwischen den Parteien streitig ist, insbesondere wegen der fraglichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses im laufenden Jahr 2018 durch die ebenfalls streitige außerordentliche Kündigung.

Das ArbG hat die Kündigung in einem Teil-Urteil für unwirksam erklärt sowie einen Beweisbeschluss verkündet. Im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche hat das ArbG die Klage mit dem Teil-Urteil abgewiesen.

Die Gründe:
Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam. Die Arbeitgeberin hat die Kündigung nicht innerhalb der für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nach dem Gesetz maßgeblichen Zwei-Wochen-Frist ab Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen ausgesprochen.

Die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche bestehen nicht. Der auf Schadensersatz gerichtete Antrag ist bereits nicht ausreichend bestimmt in Bezug auf die hiervon umfassten Datenschutzverstöße und damit unzulässig. Auch im Hinblick auf den streitgegenständlichen Bonusanspruch ist die Klage unzulässig, weil die Arbeitgeberin auf die Forderung zwischenzeitlich eine Zahlung geleistet hat und der Kläger über den verbleibenden Teil bereits einen Titel gegen die Arbeitgeberin besitzt. Die zwischenzeitliche Erhebung einer Schadensersatzklage gegen den Kläger verpflichtet die Beklagte mangels vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zudem nicht dazu, den Kläger entgegen der allgemeinen gesetzlichen Regelung von den ihm hierdurch entstehenden außergerichtlichen Prozesskosten freizustellen.

Hinsichtlich der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung sieht das ArbG weiteren Aufklärungsbedarf in Bezug auf die zwischen den Parteien streitige Frage, welchen Inhalt eine Gesprächsrunde im Jahr 2006 hatte und ob der Kläger hierüber frühzeitig Kenntnis vom Einsatz der problematischen Abgassoftware erlangt hat. Hierzu soll eine Beweisaufnahme stattfinden, in deren Rahmen zwei Zeugen zum Inhalt der Gesprächsrunde vernommen werden sollen. Den Termin zur Beweisaufnahme hat das ArbG auf den 5.10.2020 bestimmt.
LAG Niedersachsen online
Zurück