24.01.2023

Diskriminierung im Bewerbungsverfahren?

Es gibt keinen Generalverdacht der Diskriminierung. Die bloße Behauptung "ins Blaue hinein" ohne tatsächliche Anhaltspunkte genügt nicht: allein die Aussage, ein Merkmal gem. § 1 AGG zu erfüllen und deshalb eine ungünstigere Behandlung als eine andere Person erfahren zu haben, begründet kein Indiz.

LAG München v. 10.10.2022 - 4 Sa 290/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Diplomtheologe der katholischen Theologie. Er war zunächst Pastoralreferent der katholischen Kirche und anschließend Priester der altkatholischen Kirche. Der Kläger hatte sich im Juni 2021 bei der Beklagten auf die ausgeschriebene Position der Leitung der Telefonseelsorge beworben. In seinem Bewerbungsschreiben wies er darauf hin, dass er als schwerbehinderter Mensch anerkannt sei.

Mit E-Mail vom 13.6.2021 bestätigte die Beklagte den Eingang der Bewerbung, mit solcher vom 23.6.2021 und nochmals mit solcher vom 30.6.2021 lud sie den Kläger zu einem Online-Vorstellungsgespräch ein. Der Kläger bestätigte den Termin, nahm ihn aber nicht wahr. Auf Nachfrage der Beklagten hin berief er sich auf technische Probleme; eine Entschuldigung für den Ausfall erfolgte nicht. Am Folgetag fand daraufhin ein Ersatzgespräch unter Beisein der Schwerbehindertenvertretung bei der Beklagten statt.

Mit E-Mail vom 12.8.2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Stelle sei anderweitig besetzt worden. Daraufhin fordert der Kläger gerichtlich Entschädigung i.H.v. 8.000 €. Er war der Ansicht, er sei nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden, dessen Verlauf auf eine Einstellung habe schließen lassen. Es sei von einer Diskriminierung wegen seiner Schwerbehinderung auszugehen, solange die Beklagte nicht ihrerseits dargelegt und nachgewiesen habe, dass sie die Vorgaben des AGG eingehalten, die am Bewerbungsverfahren beteiligten Personen nach dem AGG geschult und ein ordnungsgemäßes Beschwerdeverfahren durchgeführt habe. Diese Beweislastumkehr entspreche der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Nachdem der Kläger unentschuldigt nicht zur Güteverhandlung  erschienen war hat das Arbeitsgericht die Klage mit Versäumnisurteil abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das LAG die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.

Die Gründe:
Der Kläger, der nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis unter den persönlichen Geltungsbereich des AGG fällt, hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.

Es fehlt hier an einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Im Sinne effektiven Rechtschutzes bei Diskriminierungen sieht § 22 AGG im Hinblick auf den Kausalzusammenhang zwischen der benachteiligenden Handlung und einem der in § 1 AGG genannten Merkmale zwar eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die benachteiligte Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines nach § 1 AGG sanktionierten Merkmals vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Eine Person, die sich durch eine Benachteiligung wegen ihrer Behinderung für beschwert hält, genügt ihrer Darlegungslast mithin, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass sie als eine solche Person wahrgenommen und deshalb benachteiligt wurde.

Die bloße Behauptung "ins Blaue hinein" ohne tatsächliche Anhaltspunkte genügt hingegen nicht: allein die Aussage, ein Merkmal gem. § 1 AGG zu erfüllen und deshalb eine ungünstigere Behandlung als eine andere Person erfahren zu haben, begründet kein Indiz. Hiervon ausgehend, waren Indizien, die eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung vermuten lassen, nicht ersichtlich. Es fehlte jeglicher Vortrag des Klägers, aus dem sich - auch in einer Gesamtschau - ergäbe, dass die Ablehnung seiner Bewerbung in Zusammenhang mit seiner Behinderung zu sehen sein könnte. Entsprechendes war hier auch anderweitig nicht ersichtlich. Letztlich indizierte auch die Art der Absage keine verbotene Diskriminierung des Klägers.

Mehr zum Thema:

Aufsatz
Axel Groeger
Rechtssicheres Design für Bewerbungsverfahren ohne Diskriminierung Schwerbehinderter
ArbRB 2022, 275

Aktionsmodul Arbeitsrecht:
Für klare Verhältnisse sorgen: Mit den Inhalten der erstklassigen Standardwerken zum Arbeitsrecht. Topaktuell mit Fachinformationen rund um die Corona-Krise. Zahlreiche bewährte Formulare auch mit LAWLIFT bearbeiten! Neuauflage HWK Arbeitsrecht Kommentar mit Rechtsstand 1.4.2022. Hier online nutzen. 4 Wochen gratis nutzen!

 

Bayern.Recht
Zurück