13.06.2013

Einmaliger Fehler eines Bank-Mitarbeiters bei der Überprüfung von Überweisungsbelegen rechtfertigt noch keine Kündigung

Übersieht ein Bank-Angestellter bei der Überprüfung von Überweisungsbelegen, dass ein Kollege versehentlich einen zweistelligen Betrag in einen neunstelligen Betrag geändert hat, so rechtfertigt dies allein regelmäßig noch keine Kündigung. Das gilt jedenfalls dann, wenn keine vorsätzliche Schädigung des Arbeitgebers oder vorsätzliche Manipulation des Arbeitsablaufs vorliegt.

Hessisches LAG 7.2.2013, 9 Sa 1315/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist seit 26 Jahren bei der beklagten Bank beschäftigt, zuletzt als Sachbearbeiterin im Zahlungsverkehr. Zu ihren Aufgaben gehört u.a. die Überprüfung von Überweisungsbelegen und ggf. deren Korrektur.

An einem Tag prüfte die Klägerin 603 Belege innerhalb von weniger als 1,4 Sekunden, 105 Belege innerhalb von 1,5-3 Sekunden und nur 104 Belege in mehr als 3 Sekunden. Dabei übersah sie, dass ein vorprüfender Arbeitskollege in der Überweisung eines Rentners den eingetragenen Betrag von 62,40 € in 222.222.222,22 € geändert hatte. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Kollege, der nicht für die Prüfung des Betragsfelds des Belegs zuständig war, bei einem Sekundenschlaf auf die Taste "2 " der PC-Tastatur geraten war und diese länger gedrückt gehalten hatte.

Durch eine systeminterne Prüfungsroutine wurde der Fehler bemerkt und berichtigt. Die Beklagte warf der Klägerin eine vorsätzliche Täuschung über ihre Arbeitsleistungen vor. Sie habe die Belege nicht geprüft, sondern ohne Prüfung freigegeben. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis aus diesem Grund fristlos und hilfsweise fristgerecht. Die hiergegen gerichtete Klage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG Erfolg.

Die Gründe:
Die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche und hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Kündigung ist unwirksam.

Die Klägerin hat die Beklagte weder vorsätzlich geschädigt noch vorsätzlich den Arbeitsablauf manipuliert. Da ihr Arbeitskollege die falsche Eintragung vorgenommen hatte, kann ihr lediglich eine unterlassene Kontrolle des Überweisungsträgers vorgeworfen werden. Hierbei handelte es sich zwar um einen schweren Fehler. Die für eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen notwendige negative Prognose ist nach Abwägung aller Umstände aber nicht erkennbar. Daher war es der Beklagten zumutbar, vor einer Kündigung zunächst eine Abmahnung auszusprechen.

Auch der Antrag der Beklagten nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht war zurückzuweisen. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor, da eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit weiterhin möglich ist.

Hessisches LAG PM Nr. 7/13 vom 10.6.2013
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