20.07.2015

Elternurlaub für männliche Beamte darf nicht von Arbeit der Ehefrau abhängen

Nationale Rechtsvorschriften, nach denen Beamten, deren Ehefrauen nicht arbeiten, ein Elternurlaub versagt wird, verstoßen gegen Unionsrecht. Das Recht auf Elternurlaub ist ein individuelles Recht, das nicht von der Situation des Ehegatten abhängen kann.

EuGH 16.7.2015, C-222/14
Hintergrund:
Nach griechischem Recht hat ein Beamter keinen Anspruch auf bezahlten Elternurlaub, wenn seine Ehegattin nicht erwerbstätig ist, es sei denn, sie kann wegen einer schweren Erkrankung oder Verletzung den Erfordernissen der Kinderbetreuung nicht nachkommen.

Der Sachverhalt:
Ende 2010 beantragte der Kläger, der als Richter in Griechenland arbeitet, bezahlten Elternurlaub von neun Monaten zur Betreuung seines am 24.10.2010 geborenen Kindes. Der beklagte Minister für Justiz, Transparenz und Menschenrechte lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die Ehegattin des Klägers zu dem Zeitpunkt nicht erwerbstätig gewesen sei.

Der mit der Rechtssache befasste griechische Staatsrat möchte vom EuGH im Wege des Vorabentscheidungsersuchens wissen, ob es mit der Richtlinie über den Elternurlaub (Richtlinie 96/34/EG) und der Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigungsfragen (Richtlinie 2006/54/EG) vereinbar ist, Beamten, deren Ehefrauen nicht arbeiten, die Inanspruchnahme von Elternurlaub zu verwehren.

Die Gründe:
Nationale Rechtsvorschriften dürfen einem Beamten das Recht auf Elternurlaub nicht mit der Begründung vorenthalten, dass seine Ehegattin nicht erwerbstätig ist.

Nach der Richtlinie über den Elternurlaub hat jeder Elternteil ein individuelles Recht auf Elternurlaub. Dabei handelt es sich um eine Mindestanforderung, von der die Mitgliedstaaten gesetzlich oder tarifvertraglich nicht abweichen dürfen. Folglich darf einem Elternteil das Recht auf Elternurlaub nicht vorenthalten werden, und die berufliche Situation des Ehegatten darf die Inanspruchnahme dieses Rechts nicht vereiteln. Dieses Ergebnis steht im Übrigen nicht nur im Einklang mit dem Ziel der Richtlinie, die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben erwerbstätiger Eltern zu erleichtern, sondern auch mit der Eigenschaft als soziales Grundrecht, die die Charta der Grundrechte der EU dem Recht auf Elternurlaub zuerkennt.

In Griechenland haben Mütter, die Beamtinnen sind, stets Anspruch auf Elternurlaub, während Väter, die die gleiche Stellung haben, diesen nur dann in Anspruch nehmen können, wenn die Mutter des Kindes erwerbstätig ist. Die Eigenschaft als Elternteil allein reicht also für Männer, die Beamte sind, nicht aus, um diesen Urlaub in Anspruch nehmen zu können, wohl aber für Frauen, die die gleiche Stellung haben.

Die griechische Regelung, die weit davon entfernt ist, die volle Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben zu gewährleisten, führt demnach eher zu einer Verfestigung der herkömmlichen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau, indem den Männern weiterhin eine im Hinblick auf die Wahrnehmung ihrer Elternschaft subsidiäre Rolle gegenüber den Frauen zugewiesen wird. Folglich sieht das griechische Beamtengesetz eine gegen die Richtlinie über Gleichbehandlung in Beschäftigungsfragen verstoßende unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts von Beamten vor, die Väter sind und Elternurlaub nehmen wollen.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 89 vom 16.7.2015
Zurück