06.03.2014

Für beamtete Lehrer gilt vorerst weiter ein Streikverbot - Gesetzgeber muss aber Kollision mit EMRK auflösen

Beamtete Lehrer dürfen sich auch weiterhin nicht an Streiks beteiligen, zu denen die Gewerkschaften ihre angestellten Kollegen aufrufen. Zwar verstößt das in Deutschland bestehende generelle Streikverbot für Beamte gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EGMR). Es ist aber Sache des Bundesgesetzgebers und nicht der Gerichte, diese Kollisionslage aufzulösen.

BVerwG 27.2.2014, 2 C 1.13
Der Sachverhalt:
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Lehrerin, die in einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mit dem beklagten Land steht. 2009 blieb sie - nach entsprechender Ankündigung gegenüber der Schulleitung - dreimal dem Unterricht fern, um an Warnstreiks teilzunehmen, zu denen die Gewerkschaft GEW aufgerufen hatte. Die Gewerkschaft wollte hiermit ihrer Forderung nach einer Gehaltserhöhung i.H.v. 8 Prozent und deren anschließender Übernahme in die Beamtenbesoldung Nachdruck verleihen.

Das beklagte Land verhängte gegen die Klägerin durch Disziplinarverfügung eine Geldbuße i.H.v. 1.500 Euro wegen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst. Das OVG wies die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage ab. Auf die Revision der Klägerin bestätigte das BVerwG das Berufungsurteil dem Grunde nach, ermäßigte allerdings die Geldbuße auf 300 Euro.

Die Gründe:
Die Verhängung der Geldbuße war rechtmäßig, da nach deutschem Verfassungsrecht für alle Beamten unabhängig von ihrem Tätigkeitsbereich ein generelles statusbezogenes Streikverbot gilt. Dieses genießt als hergebrachter Grundsatz i.S.v. Art. 33 Abs. 5 GG Verfassungsrang.

Das Streikverbot gilt - zumindest noch - auch für Beamte außerhalb des engeren Bereichs der Hoheitsverwaltung. Es stellt in der deutschen Rechtsordnung einen wesentlichen Bestandteil des in sich austarierten spezifisch beamtenrechtlichen Gefüges von Rechten und Pflichten dar.

Dieses generelle beamtenrechtliche Streikverbot verstößt allerdings nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gegen Art. 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 EMRK. Danach kann ein Streikrecht nur für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei und der hoheitlichen Staatsverwaltung generell ausgeschlossen werden. Schulen und die dort unterrichtenden Lehrkräfte gehören nach der Rechtsprechung des EGMR nicht zur hoheitlichen Staatsverwaltung i.S.d. EMRK.

Die Bundesrepublik muss dem Art. 11 EMRK in seiner Auslegung durch den EGMR in der deutschen Rechtsordnung Geltung verschaffen. Es ist jedoch Aufgabe des Bundesgesetzgebers und nicht der Gerichte, die bestehende Kollisionslage aufzulösen. So könnten etwa die Bereiche der hoheitlichen Staatsverwaltung, für die ein generelles Streikverbot gilt, bestimmt und für die anderen Bereiche der öffentlichen Verwaltung das Streikverbot gelockert werden. Dann wäre allerdings ggf. auch eine Änderung der für die Beamten günstigen Regelungen (z.B. im Besoldungsrecht) erforderlich.

Für eine Übergangszeit bis zu einer bundesgesetzlichen Regelung verbleibt es demnach bei der Geltung des verfassungsunmittelbaren Streikverbots.

BVerwG PM Nr. 16 vom 27.2.2014
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