21.09.2017

Insolvenzanfechtung bei Ratenzahlungsvereinbarung mit Gerichtsvollzieher für Ratenzahlungen in der kritischen Zeit möglich

Erhält ein Arbeitnehmer in der sog. kritischen Zeit, d.h. gem. § 131 Abs. 1 Nr. 2 in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung oder in der Zeit danach, Zahlungen des Arbeitgebers, die nicht in der geschuldeten Art aufgrund von Druck erfolgen, kann der Insolvenzverwalter die Zahlungen gem. § 131 anfechten und die Rückzahlung zur Insolvenzmasse verlangen.

BAG 20.9.2017, 6 AZR 58/16
Der Sachverhalt:
Der Beklagte war bis Anfang Mai 2010 bei dem Insolvenzschuldner als Fahrer angestellt. Das Arbeitsgericht Aachen verurteilte den Schuldner, an den Beklagten noch ausstehendes Gehalt für März bis Mai 2010 i.H.v. 3.071,42 € zu zahlen. Der Beklagte erteilte schließlich am 21.9.2011 den Auftrag, aus dem Urteil des Arbeitsgerichts die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Der Schuldner und die Gerichtsvollzieherin schlossen sodann eine Ratenzahlungsvereinbarung. Am 29.5. und am 4.6.2012 zahlte der Schuldner die letzten Raten i.H.v. insgesamt 1.737,44 €.

Am 30.7.2012 wurde Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gestellt und am 16.10.2012 schließlich das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Er focht die letzten Ratenzahlung vom 29.5. und 4.6.2012 gem. § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO an und verlangte die Rückzahlung der 1.737,44 €. Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.

Die Gründe:
Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückzahlung der 1.737,44 € gegenüber dem Beklagten.

Bei den Zahlungen des Schuldners an den Arbeitnehmer handelt es sich um sog. inkongruente Deckungen i.S.d. § 131 Abs. 1 InsO. Der Arbeitnehmer kann in der sog. kritischen Zeit, d.h. gem. § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung oder in der Zeit danach, keine Leistung unter Anwendung hoheitlichen Zwangs geltend machen, durch den er auf das unzureichende Vermögen des künftigen Insolvenzschuldners zugreift, das Vermögen schmälert und andere Gläubiger dadurch zurücksetzt. Druckzahlungen, die der Arbeitgeber leistet, um die unmittelbar bevorstehende Zwangsvollstreckung abzuwenden oder die durch die Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden sind daher inkongruent.

Auch wenn der Gerichtsvollzieher vor der kritischen Zeit mit der Zwangsvollstreckung beauftragt worden war, musste der Schuldner jederzeit damit rechnen, dass der Beklagte die Zwangsvollstreckung fortsetzen werde, wenn er die Raten nicht pünktlich zahlte. Dies begründet einen fortbestehen Druck auf den Schuldner und somit die Inkongruenz der Zahlungen. Schließt der mit der Zwangsvollstreckung beauftragte Gerichtsvollzieher eine Ratenzahlungsvereinbarung nach § 802b ZPO mit dem Schuldner ab, sind die darauf geleisteten Teilzahlungen einzeln anfechtbar. Der Insolvenzverwalter kann sodann die Ratenzahlungen, die in der kritischen Zeit erfolgen, nach Maßgabe der § 131 InsO zurückverlangen.

Linkhinweis:
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BAG, PM Nr. 38/17 vom 20.9.2017
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