04.11.2013

Insolvenzanfechtung: Rückforderung von Arbeitsvergütung unterliegt keinen tariflichen Ausschlussfristen

Insolvenzverwalter können grds. von einem Arbeitnehmer die Rückzahlung von Arbeitsvergütung zur Masse verlangen, die dieser in der Krise des Unternehmens durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erlangt hat. Der Rückforderungsanspruch unterfällt keinen tariflichen Ausschlussfristen. § 146 InsO, der für die Insolvenzanfechtung auf die Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem BGB verweist, enthält insoweit eine abschließende Sonderregelung.

BAG 24.10.2013, 6 AZR 466/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war seit 1983 bei der Schuldnerin beschäftigt. Aufgrund eines Insolvenzantrags vom 10.5.2007 wurde am 1.7.2007 über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin erlangte in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag durch Forderungspfändungen von der Schuldnerin rückständiges Arbeitsentgelt.

Der beklagte Insolvenzverwalter focht die Zahlungen im April 2010 an. Mit der Widerklage verlangte er die Rückzahlung der Arbeitsvergütung zur Masse. Das Arbeitsgericht gab der Widerklage statt; das LAG wies sie wegen Versäumung einer tariflichen Ausschlussfrist sowie mit der Begründung ab, es liege keine inkongruente Deckung vor. Auf die Revision des Beklagten hob das BAG diese Entscheidung auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.

Die Gründe:
Es kann noch nicht abschließend entschieden werden, ob die Klägerin die durch Zwangsvollstreckung erlangte Arbeitsvergütung an den Insolvenzverwalter zurückzahlen muss.

Allgemein gilt, dass eine Rechtshandlung nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar ist, wenn

  • sie einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (sog. inkongruente Deckung),
  • die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und
  • der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war.

Nicht "in der Art", wie sie der Gläubiger zu beanspruchen hat, erfolgt auch eine im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigung. Folglich kann der Insolvenzverwalter bei Vorliegen der übrigen Anfechtungsvoraussetzungen von einem Arbeitnehmer die Rückzahlung von Arbeitsvergütung zur Masse verlangen, die dieser durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erlangt hat.

Tarifliche Ausschlussfristen sind entgegen der Auffassung des LAG auf den Rückforderungsanspruch nicht anwendbar. Denn bei den insolvenzrechtlichen Anfechtungsregelungen handelt es sich um zwingendes Recht, in das die Tarifvertragsparteien nicht eingreifen dürfen. § 146 InsO, der für die Insolvenzanfechtung auf die Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem BGB verweist, normiert daher die zeitliche Begrenzung des Anfechtungsrechts abschließend.

Nach diesen Grundsätzen war das Urteil des LAG aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückzuverweisen. Dieses wird im zweiten Rechtsgang klären müssen, ob die übrigen Anfechtungsvoraussetzungen vorlagen und insbesondere die Schuldnerin zur Zeit der maßgeblichen Rechtshandlungen, d.h. bei Zustellung der Pfändungsbeschlüsse, bereits zahlungsunfähig war.

Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.

BAG PM Nr. 66 vom 4.11.2013
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