28.08.2015

Ist das Tariftreuegesetz NRW verfassungswidrig?

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hält das Tariftreue- und Vergabegesetz NRW für verfassungswidrig, weil es gegen die in der Landesverfassung NRW und im GG garantierte Tarifautonomie verstoße. Es hat daher das Gesetz dem Verfassungsgerichtshof NRW zur Prüfung vorgelegt. Jedenfalls seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes am 1.1.2015 dürfe das Land nicht mehr verlangen, dass Anbieter von Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr mindestens den Lohn zahlen müssten, der in einem sog. "repräsentativen" Tarifvertrag vorgesehen sei.

VG Düsseldorf 27.8.2015, 6 K 2793/13
Der Sachverhalt:
Das Tariftreue- und Vergabegesetz NRW verpflichtet Anbieter von Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) dazu, ihren Arbeitnehmern mindestens den Lohn zu zahlen, der in einem sog. "repräsentativen" Tarifvertrag vereinbart ist. Das gilt auch, wenn das Unternehmen einem anderen Tarifvertrag mit niedrigerem Lohnniveau unterliegt. Dabei muss nicht nur eine absolute Lohnuntergrenze eingehalten, sondern vollständig nach der Entgeltordnung des Tarifvertrags entlohnt werden, den der Arbeitsminister für repräsentativ erklärt hat.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hält das Gesetz für verfassungswidrig und hat es deshalb dem Verfassungsgerichtshof NRW zur Prüfung vorgelegt.

Die Gründe:
Das Land NRW unterläuft mit den Regelungen des Tariftreue- und Vergabegesetzes als monopolartiger Nachfrager von ÖPNV-Dienstleistungen die vom GG und der Landesverfassung NRW garantierte Tarifautonomie.

Jedenfalls seit dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes am 1.1.2015 ist die landesrechtliche Tariftreuepflicht verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbar. Denn der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde bietet bereits einen ausreichenden Schutz vor Lohn- und Sozialdumping.

Im Übrigen hat die Landesregierung trotz ausdrücklicher Aufforderung durch das Gericht keine Belege dafür vorgelegt, dass im ÖPNV von NRW tatsächlich prekäre Löhne gezahlt werden. Das Gericht hat in dieser Branche vielmehr durchschnittliche Tariflöhne von etwa 13 Euro pro Stunde festgestellt, die deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen.

Zudem ist nicht nachvollziehbar, warum anstelle einer einzigen Lohnuntergrenze das gesamte Entgeltsystem des repräsentativen Tarifvertrags einschließlich aller Alters- und sonstiger Zuschläge übernommen werden muss.

Der Hintergrund:
Die Landesregierung hat vor wenigen Wochen eine Reform des Tariftreuegesetzes angekündigt. Spätestens bis zum kommenden Sommer soll danach die Pflicht zum Nachweis umfangreicher Sozial-, Tarif- und Umweltstandards nicht mehr für alle Bieter, deren Subunternehmer und Zulieferer gelten, sondern "nur noch" für denjenigen, der auch den Zuschlag enthält. Am Mindestlohn von 8,85 Euro möchte die Landesregierung allerdings festhalten, auch wenn er leicht über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt. CDU- und FDP-Opposition fordern dagegen die Abschaffung des Gesetzes, das sie für ein "Bürokratiemonster" halten.

VG Düsseldorf PM vom 27.8.2015
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