17.08.2017

Kein Anspruch ausländischer Unternehmen auf eine Ausnahmevereinbarung zu den Sozialabgaben für ihre in Deutschland tätigen Arbeitnehmer

Unternehmen aus der Europäischen Union haben grundsätzlich keinen Anspruch auf den Abschluss von Ausnahmevereinbarungen, durch welche die sozialrechtlichen Regelungen des Landes ihres Unternehmenssitzes für dessen Arbeitnehmer gelten, die jahrelang in einem anderen Mitgliedsstaat arbeiten. Die Ablehnung der Vereinbarung ist allerdings gerichtlich überprüfbar.

BSG 16.8.2017, B 12 KR 19/16 R
Der Sachverhalt:
Der Kläger, ein polnisches Unternehmen, setzte u.a. 2005/2006 jahrelang Arbeitnehmer in Deutschland ein. Es beantragte, damit die sozialrechtlichen Bestimmungen des polnischen Rechts zur Anwendung kommen, bei der zuständigen polnischen Stelle (ZUS) eine rückwirkende Ausnahmevereinbarung zwischen der ZUS und der beklagten Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland (DKVA).

Die Beklagte lehnte eine solche Ausnahmevereinbarung ab. Die dagegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen letztendlich auch vor dem BSG ohne Erfolg.

Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf den Abschluss von Ausnahmevereinbarungen, durch welche die sozialrechtlichen Bestimmungen am Sitz des Unternehmens Polen für dessen Arbeitnehmer gelten, die jahrelang in Deutschland tätig sind.

Dies gilt für alle Unternehmen der Europäischen Union. Sie haben grundsätzlich keinen solchen Anspruch auf Ausnahmevereinbarungen. Allerdings ist die Ablehnung einer Ausnahmevereinbarung gerichtlich überprüfbar aufgrund des verfassungsrechtlichen Gebots des effektiven Rechtsschutzes.

Hier besteht jedoch kein Arbeitnehmerinteresse, das es rechtfertigen würde, die DKVA zum Abschluss einer Ausnahmevereinbarung zu verpflichten. Zudem rechtfertigt auch das Interesse des Klägers, sich in Deutschland einen Wettbewerbsvorteil dadurch verschaffen zu können, dass durch die Geltung ausländischen Rechts niedrigere Sozialabgaben abzuführen sind, keinen Anspruch auf eine Ausnahmeregelung. Gleiches gilt für die Bearbeitungsdauer und für die Preiskalkulation des Klägers, der zugrunde lag, dass eine solche Vereinbarung zustande kommen würde.

Hintergrund:
Durch die mittlerweile geltende Verordnung (EG) Nr. 883/2004 vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gilt, dass Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer sozialen Sicherung den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedsstaates, und zwar i.d.R. desjenigen Staats, in dem sie arbeiten, unterliegen dürfen. Dies gilt auch dann, wenn sie in einem anderen Mitgliedsstaat wohnen oder der Arbeitgeber seinen Unternehmenssitz, in einem anderen Mitgliedsstaat hat. Sondervorschriften gelten dabei für die Entsendung. Zwei oder mehr Mitgliedsstaaten sowie deren zuständige Behörden dürfen im Interesse bestimmter Personengruppen Ausnahmen von den grundlegenden europäischen Regelungen vereinbaren.

Linkhinweis:
Für die auf den Webseiten des Bundessozialgerichts veröffentlichte Pressemitteilung klicken Sie bitte hier.

Bundessozialgericht PM Nr. 39/2017 vom 16.8.2017
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