13.04.2015

Kein Kündigung trotz Weitergabe sensibler Daten an den Betriebsrat des Schwesterunternehmens

Gibt ein Betriebsratsmitglied eine zufällig gefundene Rechnung einer Kanzlei für eine arbeitsrechtliche Beratung des Arbeitgebers an den Betriebsrat eines Schwesterunternehmens weiter, so rechtfertigt dies nicht ohne weiteres eine außerordentliche Kündigung. Die Weitergabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen an Dritte kann zwar grds. eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dies ist aber nicht bei jeder Weiterleitung sensibler Daten der Fall.

LAG Schleswig-Holstein 4.3.2015, 3 Sa 400/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger war bei der Beklagten seit Januar 2012 als Direktmarketing-Manager beschäftigt und hatte volle Zugriffsrechte zum SAP-System. Die Beklagte gehört zu einer im Versandhandel tätigen Unternehmensgruppe. Im Oktober 2013 wurde der Kläger zum Einzelbetriebsrat gewählt. Zur Einarbeitung verwies die Beklagte den Kläger an den Betriebsrat im Schwesterunternehmen.

Anlässlich eines dienstlichen Auftrags stieß der Kläger im SAP-System zufällig auf Rechnungen einer Kanzlei für eine arbeitsrechtliche Beratung der Beklagten. Die Rechnungen enthielten keinen Vertraulichkeitsvermerk. Der Kläger druckte sie aus und zeigte sie einem Betriebsratsmitglied des Schwesterunternehmens. Als dieses den Besitz der Unterlagen als kritisch erachtete, schredderte der Kläger die Unterlagen sofort und ließ seine SAP-Zugriffsrechte einschränken.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen dieses Vorfalls fristlos. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Klägers hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG Erfolg.

Die Gründe:
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht wirksam außerordentlich gekündigt. Es fehlt insoweit an einem wichtigen Grund für die Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB.

Zwar kann die Weitergabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen an Dritte grds. eine fristlose außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Dies ist jedoch nicht bei jeder Weiterleitung sensibler Daten der Fall.

Im Streitfall war zu berücksichtigen, dass der Kläger einen uneingeschränkten Zugriff auf die SAP-Daten hatte. Es handelt sich bei den Unterlagen auch nicht um Geschäftsgeheimnisse. Insoweit fehlte jeder Vertraulichkeitsvermerk der Beklagten. Angesichts der Zugehörigkeit zur Unternehmensgruppe und der von der Beklagten gewünschten Zusammenarbeit handelt es sich beim Betriebsrat des Schwesterunternehmens zudem nicht um einen Dritten.

Ferner spricht für den Kläger, dass er aus dem Vorfall gelernt und sofort Konsequenzen gezogen hat. Im Übrigen hätte eine Abmahnung ausgereicht.

LAG Schleswig-Holstein PM Nr. 2/15 vom 13.4.2015
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