Keine Altersdiskriminierung durch die Suche nach "Berufseinsteigern" oder Juristen mit "Berufserfahrung bis ca. 6 Jahre"
LAG Rheinland-Pfalz v. 5.12.2024 - 5 SLa 81/24
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Benachteiligung aufgrund des Alters zu zahlen. Der 1973 geborene Kläger ist Rechtsanwalt. Die Beklagte annoncierte über ihre Homepage seit Dezember 2022 eine Stelle für einen Syndikusrechtsanwalt (m/w/d) Wirtschaftsrecht.
Der Kläger verlangte nach der Absage eine Geldentschädigung iHv. 28.000 € (vier Monatsgehälter). Er ist der Ansicht, er sei wegen seines Alters benachteiligt worden, weil die Beklagte "Berufungseinsteiger" gesucht und als Obergrenze "ca. 6 Jahre Berufserfahrung" festgelegt habe.
Das ArbG gab der Klage noch statt. Mit der Suche nach "Berufseinsteigern" mit "bis ca. sechs Jahre(n) Berufserfahrung" habe die Beklagte unter Anspielung auf das berufliche Anfangs-, Eingangs-, Einstiegsalter unter allenfalls erster, geringer, einschlägiger Berufserfahrung auf einen Bewerberkreis ohne Personen im bereits fortgeschrittenem und erfahrenem Berufstätigkeitsstadium abgestellt. Damit habe sie typischerweise ältere Menschen - wie den Kläger - mittelbar ausgegrenzt. Es komme hinzu, dass im oberen Teil der Stellenanzeige neben dem Schriftzug "Mein Wert wird erkannt" ins Auge springend noch das Konterfei einer augenscheinlich jugendlichen Person und am unteren Rand eine Vierpersonengruppe in legerer Kleidung unter der Überschrift "Lerne unser Unternehmen kennen", abgebildet seien. Dies illustriere eine eher jüngere Belegschaft und unterstreiche noch den Eindruck, dass keine älteren Bewerber angesprochen werden sollen.
Das LAG hat die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG sind nicht erfüllt. Die Stellenausschreibung der Beklagten ist nicht geeignet, die Vermutung iSv. § 22 AGG zu begründen, dass der Kläger wegen seines Alters diskriminiert wurde. Auch die weiteren vom Kläger als Indizien iSv. § 22 AGG vorgetragenen Umstände führen zu keiner anderen Bewertung. Der Kläger hat schon keine Indizien iSv. § 22 AGG vorgetragen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass zwischen der Absage der Beklagten und seinem Lebensalter (von damals 49 Jahren) der nach § 7 Abs. 1 AGG erforderliche Kausalzusammenhang bestand.
Die Beklagte hat die Stelle nicht entgegen § 11 AGG unter Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ausgeschrieben, weshalb ihre Stellenausschreibung nicht geeignet ist, die Vermutung iSv § 22 AGG zu begründen, dass der Kläger im Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde.
Die Stellenanzeige der Beklagten richtete sich an "Berufseinsteiger" oder Juristen, die "bis ca. 6 Jahre Berufserfahrung" besitzen. Mit diesem Text hat die Beklagte ältere Bewerber - wie den Kläger - nicht mittelbar benachteiligt.
Die Auslegung der Stellenanzeige der Beklagten ergibt, dass mit der Anforderung "Du bist Berufseinsteiger oder besitzt bis ca. 6 Jahre Berufserfahrung" nicht lediglich und auch nicht insbesondere junge Bewerber angesprochen werden und zugleich ältere Personen ernsthaft davon abgehalten würden, ihre Bewerbung einzureichen. Vielmehr richtet sich diese Passage der Stellenanzeige an Bewerber jeden Alters.
Die Beklagte gibt insbesondere keine fixe Obergrenze der Berufserfahrung an, sondern lediglich einen Circa-Wert. Die Beklagte listet bei der Darstellung der Aufgaben, für die der Bewerber eingestellt werden soll, mehrere Rechtsgebiete explizit auf. Dass sich die Berufserfahrung auf diese Rechtsgebiete beziehen soll, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang. Entgegen der Ansicht des Klägers ist daher unbedeutend, dass das Wort "einschlägig" fehlt. Es gibt insbesondere keinen Erfahrungssatz, dass diskriminierungsfreie Stellenanzeigen regelmäßig die Formulierungen "einschlägige" Berufserfahrung oder "in den benannten Aufgabengebieten" bzw. "Rechtsgebieten" oder Berufserfahrung "in ähnlicher Position" enthielten. Dass eine berufliche Erfahrung in einer auf die Aufgabe bezogenen entsprechenden Tätigkeit für den Bewerber vorteilhaft ist, versteht sich bei einer ungekünstelten Auslegung der Stellenanzeige von selbst.
Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts indizieren die Bilder, die sich im oberen und unteren Teil der Stellenanzeige finden, keine mittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters. Die Bilder tragen nicht zu dem Eindruck bei, dass die Beklagte nur junge Menschen für die juristische Beratung und Begleitung sucht. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass es keinen Erfahrungssatz gibt, dass das Alter der in einer Stellenanzeige abgebildeten Personen stellvertretend für die gesuchte Stellenbesetzung ist.
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Rechtsprechung:
"Erste Führungserfahrung" in Stellenausschreibung kein Indiz für Altersdiskriminierung
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Artur Kühnel, ArbRB 2024, 328
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Benachteiligung wegen des Alters Auswahlverfahren - Vermutung der Benachteiligung
BAG vom 11.08.2016 - 8 AZR 809/14
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Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Benachteiligung aufgrund des Alters zu zahlen. Der 1973 geborene Kläger ist Rechtsanwalt. Die Beklagte annoncierte über ihre Homepage seit Dezember 2022 eine Stelle für einen Syndikusrechtsanwalt (m/w/d) Wirtschaftsrecht.
Der Kläger verlangte nach der Absage eine Geldentschädigung iHv. 28.000 € (vier Monatsgehälter). Er ist der Ansicht, er sei wegen seines Alters benachteiligt worden, weil die Beklagte "Berufungseinsteiger" gesucht und als Obergrenze "ca. 6 Jahre Berufserfahrung" festgelegt habe.
Das ArbG gab der Klage noch statt. Mit der Suche nach "Berufseinsteigern" mit "bis ca. sechs Jahre(n) Berufserfahrung" habe die Beklagte unter Anspielung auf das berufliche Anfangs-, Eingangs-, Einstiegsalter unter allenfalls erster, geringer, einschlägiger Berufserfahrung auf einen Bewerberkreis ohne Personen im bereits fortgeschrittenem und erfahrenem Berufstätigkeitsstadium abgestellt. Damit habe sie typischerweise ältere Menschen - wie den Kläger - mittelbar ausgegrenzt. Es komme hinzu, dass im oberen Teil der Stellenanzeige neben dem Schriftzug "Mein Wert wird erkannt" ins Auge springend noch das Konterfei einer augenscheinlich jugendlichen Person und am unteren Rand eine Vierpersonengruppe in legerer Kleidung unter der Überschrift "Lerne unser Unternehmen kennen", abgebildet seien. Dies illustriere eine eher jüngere Belegschaft und unterstreiche noch den Eindruck, dass keine älteren Bewerber angesprochen werden sollen.
Das LAG hat die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG sind nicht erfüllt. Die Stellenausschreibung der Beklagten ist nicht geeignet, die Vermutung iSv. § 22 AGG zu begründen, dass der Kläger wegen seines Alters diskriminiert wurde. Auch die weiteren vom Kläger als Indizien iSv. § 22 AGG vorgetragenen Umstände führen zu keiner anderen Bewertung. Der Kläger hat schon keine Indizien iSv. § 22 AGG vorgetragen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass zwischen der Absage der Beklagten und seinem Lebensalter (von damals 49 Jahren) der nach § 7 Abs. 1 AGG erforderliche Kausalzusammenhang bestand.
Die Beklagte hat die Stelle nicht entgegen § 11 AGG unter Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ausgeschrieben, weshalb ihre Stellenausschreibung nicht geeignet ist, die Vermutung iSv § 22 AGG zu begründen, dass der Kläger im Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde.
Die Stellenanzeige der Beklagten richtete sich an "Berufseinsteiger" oder Juristen, die "bis ca. 6 Jahre Berufserfahrung" besitzen. Mit diesem Text hat die Beklagte ältere Bewerber - wie den Kläger - nicht mittelbar benachteiligt.
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Die Beklagte gibt insbesondere keine fixe Obergrenze der Berufserfahrung an, sondern lediglich einen Circa-Wert. Die Beklagte listet bei der Darstellung der Aufgaben, für die der Bewerber eingestellt werden soll, mehrere Rechtsgebiete explizit auf. Dass sich die Berufserfahrung auf diese Rechtsgebiete beziehen soll, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang. Entgegen der Ansicht des Klägers ist daher unbedeutend, dass das Wort "einschlägig" fehlt. Es gibt insbesondere keinen Erfahrungssatz, dass diskriminierungsfreie Stellenanzeigen regelmäßig die Formulierungen "einschlägige" Berufserfahrung oder "in den benannten Aufgabengebieten" bzw. "Rechtsgebieten" oder Berufserfahrung "in ähnlicher Position" enthielten. Dass eine berufliche Erfahrung in einer auf die Aufgabe bezogenen entsprechenden Tätigkeit für den Bewerber vorteilhaft ist, versteht sich bei einer ungekünstelten Auslegung der Stellenanzeige von selbst.
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