16.06.2021

Keine anteilige Urlaubskürzung für Zeiten von Kurzarbeit

Arbeitgeber sind bei Kurzarbeit nicht berechtigt, den Erholungsurlaub der hiervon betroffenen Arbeitnehmer anteilig im Verhältnis zu den Jahresarbeitstagen zu kürzen, wenn keine Kurzarbeit "Null" zugrunde liegt. Es besteht keine vergleichbare Gesetzeslage zum Teilzeitrecht oder sonstigen andauernden Unterbrechungen der gegenseitigen Leistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis, wie bei einem "Sabbatical".

ArbG Osnabrück v. 8.6.2021 - 3 Ca 108/21
Der Sachverhalt:
Die Kläger begehrten die Gutschrift von Urlaubstagen, die ihnen für Zeiten von Kurzarbeit im Verhältnis zu ihren Jahresarbeitstagen durch den Beklagten anteilig gekürzt worden waren. Der an einzelnen Tagen durchgeführten Kurzarbeit lagen mehrere nahtlos aufeinanderfolgende Betriebsvereinbarungen "Kurzarbeit" zugrunde. Die Arbeitszeit der Kläger war zuvor nicht auf "Null" reduziert worden.

Die Betriebsvereinbarungen waren jeweils erst kurze Zeit vor Beginn der Kurzarbeit zwischen den Betriebspartnern abgeschlossenen worden. Die Information der betroffenen Arbeitnehmer erfolgte erst danach. Dem Beklagten war es nach den Betriebsvereinbarungen Kurzarbeit gestattet, die Kurzarbeit vorzeitig und kurzfristig mit einer "Ansagefrist" von 2 Werktagen zu beenden oder zu reduzieren.

Die Kläger waren der Ansicht, dass die durchgeführte Kurzarbeit keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche habe. Der Kurzarbeiter habe nämlich nicht ähnlich einem Teilzeitbeschäftigten eine vorhersehbare und freigestaltbare Freizeit durch Kurzarbeit gewonnen, die er nutzen könne, um sich auszuruhen oder Freizeitaktivitäten nachzugehen. Der Beklagte stützte sich zur Berechtigung der anteiligen Urlaubskürzung während der Kurzarbeit auf Entscheidungen des EuGH und des BAG über entsprechende Urlaubskürzungen gegenüber Teilzeitbeschäftigten und bei Gewährung eines Sabbaticals für Arbeitnehmer, sowie auf eine obergerichtliche Entscheidung bei Kurzarbeit "Null".

Das Arbeitsgericht hat den Klagen vollumfänglich stattgegeben. Die Widerklage des Arbeitgebers auf Feststellung für zukünftige anteilige Urlaubskürzung bei Kurzarbeit blieb erfolglos. Allerdings wurde wegen der Bedeutung der Rechtssache die Berufung zum LAG zugelassen.

Die Gründe:
Der Beklagte ist verpflichtet, den gekürzten Urlaubsanteil dem Urlaubskonto der klagenden Arbeitnehmer wieder gutzuschreiben.

Die anteilige Kürzung erscheint als rechtwidrig. Unabhängig davon, dass Erholungsurlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz für das Bestehen des Arbeitsverhältnisses als solches unabhängig von der Erbringung einer konkreten Arbeitsleistung gewährt wird, kann vorliegend nicht von einem zur anteiligen Urlaubskürzung berechtigenden Ruhen des Arbeitsverhältnisses für die Dauer der Kurzarbeit gesprochen werden.

Bei einer Kurzarbeit-Vereinbarung, bei der die Arbeitszeit nicht auf "Null" für diesen Zeitraum herabgesetzt wird, besteht keine vergleichbare Gesetzeslage zum Teilzeitrecht oder sonstigen andauernden Unterbrechungen der gegenseitigen Leistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis, wie bei einem "Sabbatical". Vielmehr zeigt die vergleichbare Lage zu sonstigen Ruhenstatbeständen im Arbeitsverhältnis, etwa bei Elternzeit nach dem BEEG, dass hierfür anteilige Urlaubskürzung gesetzlich möglich ist. In Kenntnis dessen hätte der Gesetzgeber auch bei Kurzarbeit anteilige Urlaubskürzungen statuieren können. Dies hat der Gesetzgeber nicht nur unterlassen, sondern nach dem Bundesurlaubsgesetz gerade zum Ausdruck gebracht, dass Kurzarbeit nicht zur Verdienstschmälerung betreffend Urlaubsentgelt dienen soll.

Sowohl wegen der Durchführung von Kurzarbeit nur an einzelnen Tagen (statt Kurzarbeit "Null") sowie der kurzfristigen Einführung als auch wegen der Möglichkeit, die Kurzarbeit vorzeitig mit einer Ansagefrist von zwei Werktagen zu beenden oder zu reduzieren, kann einer derartigen Kurzarbeit-Praxis nicht die gleiche Rechtswirkung zugesprochen werden wie etwa einem länger andauernden Ruhen des Arbeitsverhältnisses. Es kann weder davon gesprochen werden, dass bei derartiger Kurzarbeit Arbeitnehmer dadurch ihren Erholungsurlaub bereits anteilig quasi realisiert haben, noch spielt es eine Rolle, dass Arbeitnehmer nach Ende der Kurzarbeit ihre restlichen Urlaubsansprüche nehmen können. Dies liegt in der Natur der Sache. Eine etwaige dadurch einhergehende Betriebsblockade erscheint nicht nur im Hinblick auf die sonstigen Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer als Spekulation und ohne Belang.
Arbeitsgericht Osnabrück PM v. 10.6.2021
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