28.09.2020

Keine fristlose Kündigung bei unentschuldigtem Fehlen an einem Arbeitstag

Das LAG Kiel hat entschieden, dass ein Arbeitgeber bei Fehlen eines Arbeitnehmers an einem einzigen Tag auch dann zunächst abmahnen muss, bevor er fristlos kündigen kann, wenn das Arbeitsverhältnis erst zwei Tage bestanden hat.

LAG Schleswig-Holstein v. 3.6.2020 - 1 Sa 72/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nahm am 1.8.2019 ihre Arbeit als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte auf. Am 5.8. sowie am 6.8.2019 arbeitete sie vereinbarungsgemäß nicht, da ihr Sohn in der Kindertagesstätte eingewöhnt wurde. Mit Schreiben vom 5.8.2019, der Klägerin vorab per Mail am 5.8.2019 und im Original zugegangen am 6.8.2019, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 12.8.2019. Die Klägerin erschien am 7. und 8.8.2019 nicht zur Arbeit. Mit E-Mail vom 8.8.2019 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Kündigung ging der Klägerin am 9.8.2019 schriftlich zu. Ebenfalls am 9.8.2019 ging beim Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den 8. und 9.8.2019 ein. Die am 1. und 2.8.2019 geleisteten 17,34 Arbeitsstunden rechnete der Beklagte in der Folgezeit ab und zahlte die sich hieraus ergebende Vergütung.

Mit ihrer Kündigungsschutzklage wandte sich die Klägerin schließlich nur noch gegen die zweite, fristlose Kündigung und verlangte die Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist hinsichtlich der ersten Kündigung. Der Beklagte hielt die fristlose Kündigung für wirksam. Die Klägerin habe gerade einmal zwei Tage gearbeitet und dann unentschuldigt gefehlt. Es handele sich um ein "gescheitertes Arbeitsverhältnis". Hier sei eine Abmahnung offensichtlich entbehrlich gewesen. Im Übrigen sei die Abkürzung der Kündigungsfrist in der Probezeit wirksam zwischen den Parteien vereinbart worden. Es verstoße gegen den Gleichheitssatz, wenn eine Abkürzung nur von Tarifvertragsparteien, nicht aber von den Parteien des Arbeitsvertrages vereinbart werden könne.

Das ArbG hielt die außerordentliche fristlose Kündigung für unwirksam. Das LAG Kiel hat diese Entscheidung nun bestätigt. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Auch in dieser Konstellation ist eine vorherige Abmahnung notwendig. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin trotz Kündigungsandrohung der Arbeit weiter unentschuldigt ferngeblieben wäre. Ihre Pflichtverletzung ist auch nicht derartig schwerwiegend gewesen, dass eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich gewesen wäre. Der Beklagte hatte durch die Probezeitkündigung mit Wochenfrist ggü. der Klägerin bereits zum Ausdruck gebracht, an deren weiterer Mitarbeit kein Interesse zu haben.

Anders als der Beklagte meint, muss er die zweiwöchige gesetzliche Kündigungsfrist in der Probezeit einhalten. Die kürzere Frist im Arbeitsvertrag ist unwirksam. Es ist nicht gleichheitswidrig, wenn lediglich den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit der Vereinbarung kürzerer Kündigungsfristen zusteht. Deren Verhandlungsparität führt zu einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Eine vergleichbare Parität besteht zwischen den Parteien des Individualarbeitsvertrags nicht.
LAG Kiel PM Nr. 10 vom 24.9.2020
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