23.10.2023

Land- und Forstwirt auch bei gewerblicher Brennholzaufbereitung in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung versichert?

Die Verarbeitung zum Verkauf bestimmten eigenen Holzes durch einen Land- und Forstwirt ist auch dann in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung versichert, wenn der Versicherte daneben eine - nicht versicherte - gewerbliche Brennholzaufbereitung betreibt, in der er fremdes, zugekauftes Holz in der gleichen Weise bearbeitet wie das eigene. Die Verarbeitung eigenen Holzes ist nicht nur ein Nebenunternehmen der nichtlandwirtschaftlichen Brennholzaufbereitung, sondern Teil des versicherten land- und forstwirtschaftlichen Hauptunternehmens.

LSG Baden-Württemberg v. 25.9.2023 - L 1 U 954/23
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen. Der 1943 geborene K1 war der verstorbene Ehemann der Klägerin (künftig: der Versicherte). Dieser verunglücke am 3.1.2019 tödlich, als er neben einer Maschinenhalle auf seinem Grundstück in einer landwirtschaftlichen Feldflur allein mit einem Kegelspalter Holz spaltete und in die Maschine geriet. Er erlitt hierbei sofort tödliche Verletzungen. Der Versicherte hatte ein landwirtschaftliches Unternehmen mit Nutztierhaltung, Ackerland, Wiesen- und Weideflächen sowie einem eigenen Waldstück geführt und war insoweit bei der Beigeladenen gesetzlich unfallversichert. Seit 2014 hatte er auch Brennholzaufbereitung für Dritte durchgeführt. Eine freiwillige Versicherung dieser selbstständigen Tätigkeit bei der Beklagten war nicht erfolgt.

Die Beklagte teilte der Klägerin mit, ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung der Beklagten bestehe nicht, da kein von ihr zu entschädigender Arbeitsunfall vorliege. Die Beigeladene habe den Bereich "Herstellung von Brennholz" als eigenständigen Bereich und nicht als sog. Nebenunternehmen des versicherten landwirtschaftlichen Betriebes bewertet und habe deswegen die Unfallsache an die Beklagte abgegeben. Der Versicherte habe als Unternehmer den tödlichen Unfall erlitten. Eine Pflichtversicherung im Zuständigkeitsbereich der Beklagten bestehe nicht und von der Möglichkeit, bei der Beklagten für den Bereich der "Herstellung von Brennholz" eine freiwillige Unternehmerversicherung (§ 3 SGB VII iVm §§ 4 der Satzung der BGHM) abzuschließen, habe er keinen Gebrauch gemacht. Am Unfalltag habe er daher nicht zum Kreis der versicherten Personen gehört, so dass Hinterbliebenenleistungen von der Beklagten nicht zu erbringen seien.

Das SG verurteilte die Beigeladene, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen aus Anlass des Todes des Versicherten zu gewähren. Zur Begründung hat das SG u.a. ausgeführt, das Unfallereignis habe nicht unter dem Versicherungsschutz der Beklagten gestanden, da der Verstorbene weder in einem Beschäftigungsverhältnis im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gestanden, noch dort eine (freiwillige) Versicherung als selbständiger Unternehmer abgeschlossen habe. Die Klägerin habe jedoch Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen gegen die Beigeladene, da der Unfalltod des Versicherten als Folge einer den Versicherungsschutz der landwirtschaftlichen Unfallversicherung begründenden Tätigkeit eingetreten sei.

Das LSG hat die Berufung der Beigeladenen zurückgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen. Der Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen ergibt sich aus § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 und i.V.m. Satz 2 SGB VII. Hiernach haben Hinterbliebene Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen iSd Abs. 1 Satz Nr. 1 bis 3, wenn der Tod des verstorbenen Versicherten infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Der Verstorbene hat am 3.1.2019 eine versicherte Tätigkeit verrichtet und hierbei einen Arbeitsunfall erlitten, an dessen Folgen er verstorben ist.

Bei dem zur Überzeugung des Senats feststehenden Unfallereignis handelt es sich um einen Arbeitsunfall.

Zur Zeit des Unfalls war der Verstorbene entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch mit einer Verrichtung beschäftigt, die einer bei ihr versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Für den Versicherungsschutz muss (vgl. BSG v. 12.4.2005 - B 2 U 5/04 R) eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen.

Für die Beurteilung, ob ein Verarbeiten von Holz zu Brennholz und die vorherige Lagerung des Holzes einschließlich Schutzmaßnahmen gegen Witterungseinflüsse Bestandteil eines forstwirtschaftlichen Unternehmens ist, ist daher von Bedeutung, ob das Holz aus dem eigenen forstwirtschaftlichen Unternehmen stammt und ob die konkrete Verrichtung nach der objektiven Handlungstendenz noch im sachlichen Zusammenhang mit forstwirtschaftlichen Tätigkeiten steht. Maßgebend für den Versicherungsschutz ist nicht eine räumliche (oder zeitliche) Abgrenzung, also ob und wann das Holz im Wald oder auf dem Hof bearbeitet wird, sondern der innere Zusammenhang zwischen der zum Unfall führenden Verrichtung und der versicherten Tätigkeit.

Während die reine Brennholzverarbeitung von eingekauftem (fremden) Holz nicht unter Versicherungsschutz als forstwirtschaftlicher Unternehmer steht, ist die Bearbeitung von eigenem Holz, das als Brennholz verkauft werden soll, versichert, da insoweit dann das Zerkleinern des Holzes im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit als forstwirtschaftlicher Unternehmer steht. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Versicherte am Unfalltag aus dem eigenen Wald stammendes Holz für den späteren Verkauf gespalten hat, so dass es sich um eine versicherte Verrichtung handelte.

Richtig ist zwar, dass die Verarbeitung "fremden" Holzes mangels sachlichen Zusammenhangs zur versicherten Tätigkeit nicht unter dem Schutz der landwirtschaftlichen Unfallversicherung steht. Für die Beurteilung, ob ein Versicherungsfall vorliegt, ist allerdings ausschließlich die konkret zum Unfall führende Verrichtung maßgeblich und nicht, ob zu einem anderen Zeitpunkt auch eine nicht versicherte Holzverarbeitung erfolgte. Es ist daher weder eine prozentuale Betrachtung vorzunehmen, wie viel eigenes und wie viel fremdes Holz im Durchschnitt zu welchem Zweck verarbeitet wurde, noch spielt es eine Rolle, ob neben einem landwirtschaftlichen Unternehmen auch noch weitere Verrichtungen (hier in Form einer Brennholzschneiderei) betrieben wurden, die wiederum nicht versichert waren. Handelt es sich wie vorliegend bei der konkret feststellbaren Verrichtung um eine versicherte Verrichtung, entfällt der Versicherungsschutz auch dann nicht, wenn zu anderen Zeitpunkt nicht versicherte Tätigkeiten verrichtet wurden.

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