10.12.2025

Langzeitkonto: Erkrankung während der Freistellung liegt im Risikobereich des Arbeitnehmers

Der auf Grund eines Guthabens in einem Langzeitkonto bestehende Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers wird auch dann durch seine Freistellung erfüllt, wenn der Arbeitnehmer nachträglich im Freistellungzeitraum arbeitsunfähig erkrankt. Demnach trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer das Risiko, die durch Arbeitsbefreiung als Arbeitszeitausgleich gewonnene Freizeit auch tatsächlich nach seinen Vorstellungen nutzen zu können.

LAG Köln v. 10.4.2025 - 3 SLa 629/24
Der Sachverhalt:
Der heute 59-jährige Kläger war seit 1984 bei der Beklagten zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 6.268 € brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie NRW Anwendung. Im Tarifvertrag über Langzeitkonten ist geregelt, dass die Betriebsparteien Langzeitkonten vereinbaren können. Das Langzeitkonto diene unter Beachtung der betrieblichen Erfordernisse insb. der persönlichen Lebensarbeitszeitplanung des einzelnen Beschäftigten. Auch die zwischen Betriebsrat und dem Arbeitgeber abgeschlossene Betriebsvereinbarung über die Einrichtung von Langzeitkonten bezeichnet u.a. die persönliche Lebensplanung des einzelnen Beschäftigten als wesentliche Motive.

Die Parteien hatten am 20.6.2023 einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen, der zum Ausgleich eines Zeitguthabens des Klägers von 31 Tagen die Freistellung im Zeitraum vom 18.8. bis 29.9.2023 beinhaltete. Am 26.6.2023 wurde der Zeitraum in das Zeiterfassungssystem der Beklagten als Freistellungstage eingepflegt und der Antrag auf Freistellung am 3.7.2023 genehmigt. Vom 4.8.2023 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt.

Der Kläger begehrte Auszahlung der 31 Tage, da er die eingestellten Stunden im Langzeitkonto wegen seiner Erkrankung aus persönlichen Gründen nicht habe abbauen können. Nach Ablehnung durch die Beklagte machte er die den 31 Tagen entsprechende Summe von 8.933,89 € klageweise geltend.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat die Entscheidung im Berufungsverfahren bestätigt.

Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 8.933,89 € brutto als Abgeltung für 31 Tage aus dem Langzeitarbeitskonto nach § 7 lit. b9 TV LZK, da bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in dem Langzeitkonto des Klägers kein Guthaben mehr vorhanden war.

Das im Langzeitkonto des Klägers nach Abschluss des Aufhebungsvertrags vom 20.6.2023 unstreitig noch bestehende Guthaben des Klägers ist durch die vereinbarungsgemäß am 3.7.2023 für den Zeitraum vom 18.8.2023 bis 29.9.2023 erfolgte Freistellung des Klägers abgebaut und sein Freistellungsanspruch erfüllt worden. Die ab dem 4.8.2023 eingetretene und bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.9.2023 andauernde Arbeitsunfähigkeit des Klägers führte zu keiner rückwirkenden Beseitigung der eingetretenen Erfüllungswirkung.

Nach ständiger BAG-Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, wird ein Anspruch auf Arbeitszeitausgleich bereits durch die Freistellung von der Arbeitspflicht erfüllt. Der Arbeitnehmer ist in diesem Falle nicht mehr verpflichtet, im Freistellungszeitraum die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Er kann über diesen Zeitraum frei verfügen, ohne dass die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der entsprechenden Vergütung entfällt. Eine nachträglich eintretende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit im Freistellungszeitraum macht die Erfüllung des Ausgleichsanspruchs nicht hinfällig. Demnach trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer das Risiko, die durch Arbeitsbefreiung als Arbeitszeitausgleich gewonnene Freizeit auch tatsächlich nach seinen Vorstellungen nutzen zu können (BAG, Urt. v. 11.9.2003 - 6 AZR 374/02).

Daher hat im Streitfall der Kläger das Risiko der Nutzungsmöglichkeit der vereinbarten freien Arbeitstage getragen und nicht die Beklagte. Die in der Präambel der Regelungen ausgedrückten Zwecke der arbeitsfreien Zeit lagen offenkundig nicht in der Erholung des Arbeitnehmers, sondern sonstiger, in dessen Sphäre liegender Zielrichtungen und Interessen.

Mehr zum Thema:

Aufsatz
Maximilian Lachmann
Von der Ansparphase bis zur Freistellung
DB 2025, 255

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