05.11.2012

Leiharbeit und Kettenbefristungen im Konzern sind nicht ohne weiteres rechtsmissbräuchlich

Eine missbräuchliche Arbeitnehmerüberlassung liegt nicht schon dann vor, wenn ein Zeitarbeitsunternehmen seine Arbeitnehmer ausschließlich konzernintern verleiht, nur aus der Person seines Geschäftsführers besteht und sämtliche Leistungen (z.B. Lohnabrechnungen) durch andere Konzernunternehmen erbringen lässt. Auch sachgrundlose Befristungen des Arbeitsverhältnisses mit einer Gesamtdauer von sieben Jahren und zehn Verlängerungen sind nicht zu beanstanden, wenn ein Tarifvertrag dies erlaubt.

ArbG Oberhausen 2.8.2012, 2 Ca 784/12
+++ Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Mitglied der IG Metall. Er war seit Anfang 2005 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverhältnisse bei einer konzerneigenen Zeitarbeitsfirma beschäftigt, die ihn ausschließlich an andere konzerneigene Unternehmen verlieh. Sein Arbeitsverhältnis war insgesamt zehnmal befristet worden, zuletzt für ein Jahr bis zum 30.4.2012.

Grundlage für die Befristungen waren jeweils Haustarifverträge mit der IG Metall. Der letzte Haustarifvertrag sah in Abweichung vom TzBfG die Möglichkeit der Verlängerung bereits befristeter Arbeitsverhältnisse für die Dauer bis Ende 2017 mit einer mehr als dreimaligen Verlängerungsmöglichkeit vor.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 1) bestehe, bei der er zuletzt eingesetzt gewesen war. Das Zeitarbeitsunternehmen (Beklagte zu 2) würde nur eine "Scheinleihe" betreiben. Eine eigene Personalhoheit würde nicht existieren. Im Übrigen würde auch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2) bestehen, da die insgesamt zehn Verlängerungen seines Arbeitsvertrags gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG und das TzBfG verstoßen würden.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

+++ Die Gründe:
Es besteht weder ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1) noch eines mit der Beklagten zu 2).

Der Kläger ist von der Beklagten zu 2) in rechtlich zulässiger Weise nach den Bestimmungen des AÜG an die Beklagte zu 1) verliehen worden. Entgegen seiner Auffassung handelt es sich hierbei nicht um eine dauerhafte Überlassung i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG in der seit dem 29.4.2011 geltenden Neufassung. Denn der Kläger ist seit Inkrafttreten der Neuregelung erst elf Monate an die Beklagte zu 1) verliehen worden; dies ist ein lediglich vorübergehender Zeitraum i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG.

Es liegt auch keine missbräuchliche Arbeitnehmerüberlassung vor. Selbst wenn die Beklagte zu 2) - wie vom Kläger behauptet - nur aus der Person ihres Geschäftsführers bestehen und sämtliche Leistungen durch anderweitige Konzernunternehmen erbringen lassen sollte, ist dies kein Umgehungsfall. Denn die Beklagte zu 2) verleiht ihre Arbeitnehmer nicht nur an die Beklagte zu 1), sondern konzernweit, und sie betreibt das Verleihergeschäft selbst. Zudem ist es nicht missbräuchlich, wenn Dienstleistungen wie z.B. die Erstellung von Lohnabrechnungen an andere Konzerngesellschaften vergeben werden.

Der Kläger kann sich ebenso wenig auf eine unzulässige Kettenbefristung berufen. Er ist als Mitglied der IG Metall normativ an die Haustarifverträge gebunden. Diese weichen zwar zum Nachteil der Arbeitnehmer vom TzBfG ab. § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG erlaubt aber ausdrücklich eine vom Gesetz abweichende Festlegung der Anzahl der Verlängerungen oder der Höchstdauer der Befristung durch Tarifvertrag. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch, zumal das BAG einen solchen jüngst bei einer Gesamtdauer der Befristungen von sieben Jahren und neun Monaten abgelehnt hat (BAG, Urt. v. 18.7.2012 - 7 AZR 783/10).

+++ Mehr zum Thema im ArbRB-Blog:
Groeger, Kettenbefristung und Rechtsmissbrauch bei Leiharbeit im Konzern

Arbeitsgericht Oberhausen
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