26.11.2021

Masseverbindlichkeit? Urlaubsabgeltungsanspruch bei Inanspruchnahme der Arbeitsleistung durch starken vorläufigen Insolvenzverwalter

In der Insolvenz des Arbeitgebers ist der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung vollständig als Masseverbindlichkeit zu berichtigen, falls der vorläufige Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter) die Arbeitsleistung zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch in Anspruch genommen hat.

BAG v. 25.11.2021 - 6 AZR 94/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger wurde von der Beklagten als damalige starke vorläufige Insolvenzverwalterin bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Arbeit herangezogen. Mit seiner Klage hat er für die zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht genommenen Urlaubstage die Zahlung einer Abgeltung i.H.v. rd. 3.400 € brutto als Masseverbindlichkeit verlangt. Die Beklagte hat dies als nunmehrige Insolvenzverwalterin abgelehnt, weil es sich nur um eine zur Insolvenztabelle anzumeldende Insolvenzforderung handle.

ArbG und LAG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers gab das BAG der Klage statt.

Die Gründe:
Die streitbefangene Urlaubsabgeltung ist in voller Höhe als Masseverbindlichkeit zu berichtigen.

§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO sieht die Begründung von Masseverbindlichkeiten vor, "soweit" der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. Entscheidet sich der starke vorläufige Insolvenzverwalter für die Inanspruchnahme der Arbeitskraft eines Arbeitnehmers, hat er alle Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis als Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Hiervon umfasst sind nicht nur Ansprüche, die unmittelbar auf einer tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung beruhen, sondern auch solche, denen keine unmittelbare Wertschöpfung für die Masse gegenübersteht (vgl. bereits BAG v. 10.9.2020 - 6 AZR 94/19 (A)).

Der vollen Berichtigung als Masseverbindlichkeit steht nicht entgegen, dass der Neunte Senat des BAG bzgl. der vergleichbaren Regelung in § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO von einer nur anteiligen Zuordnung der "geldwerten Urlaubsansprüche" ausging (vgl. BAG v. 21.11.2006 - 9 AZR 97/06). Auf Anfrage des erkennenden Senats hat der Neunte Senat des BAG erklärt, an dieser Auffassung nicht festzuhalten (BAG v. 16.2.2021 - 9 AS 1/21).

Mehr zum Thema:
  • Aufsatz: GmbH-Geschäftsführer: Was darf, was muss er tun? (Moderegger, ArbRB 2021, 289)
  • Rechtsprechung: BAG vom 10.09.2020, 6 AZR 94/19 (A) - Urlaubsabgeltung in der Insolvenz - Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung? mit Anmerkung Markowski (ArbRB 2021, 36)
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BAG PM Nr. 39 vom 25.11.2021
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