05.10.2023

Ministertreffen statt Fortbildung: Außerordentliche Kündigung eines Amazon-Betriebsratsmitglieds wirksam

Reist ein Mitglied des Betriebsrats ohne Wissen des Arbeitgebers mit einem von diesem zur Verfügung gestellten Mietwagen zu einem gewerkschaftlich organisierten Beratungstreffen mit dem Bundesarbeitsminister und zu einem Treffen mit dem Ministerpräsidenten von Niedersachsen, statt an einem vom Arbeitgeber finanzierten Seminar teilzunehmen und rechnet er die entstehenden Tankkosten zudem über den Arbeitgeber ab, so rechtfertigt dieses Verhalten eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsvertrags.

ArbG Verden v. 19.9.2023 - 2 Ca 101/23
Der Sachverhalt:
Die beklagte Arbeitgeberin betreibt am Standort Achim ein Waren- und Logistikzentrum (Amazon). Der Kläger ist freigestelltes Mitglied des bei der Arbeitgeberin gebildeten Betriebsrats. Er meldete sich in seiner Funktion als Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung mit Einverständnis der Beklagten bei dem Seminar "Die Schwerbehindertenvertretung II" für den Zeitraum vom 6.2. bis 10.2.2023 in Köln an. Die Seminargebühr und die Hotelkosten wurden von der Beklagten getragen. Für die Teilnahme an dem Seminar mietete der Kläger mit Kenntnis der Beklagten einen Mietwagen bei einer Mietwagenfirma an.

Am 6.2.2023 nahm der Kläger ohne Wissen der Beklagten an einem gewerkschaftlich organisierten Beratungstreffen mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, in Berlin teil. Am Folgetag fuhr der Kläger nach Hannover zu einem Treffen mit dem Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Stephan Weil. Beide Fahrten unternahm der Kläger mit dem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Mietwagen und rechnete die Tankkosten über diese ab.

Mit Schreiben vom 7.3.2023, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos mit sofortiger Wirkung. Das Betriebsratsgremium stimmte dem Ausspruch der außerordentlichen Kündigung zu. Die Beklagte wirft dem Kläger vor, seine arbeitsvertraglichen Pflichten in schwerwiegender Weise verletzt zu haben, indem er falsche Angaben zur Arbeitszeit tätigte und zudem Reisekosten für Fahrten, die nicht im Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit des Klägers, insbesondere nicht im Zusammenhang mit der von ihm behaupteten Seminarteilnahme, standen, bei der Beklagten geltend gemacht zu haben.

Das ArbG wies die Kündigungsschutzklage ab.

Die Gründe:
Es liegt ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung vor.

Aufgrund der eigenen Einlassungen des Klägers steht fest, dass er entgegen seinen eigenen Angaben am 6.2. und 7.2.2023 nicht bzw. nur zeitweilig am Seminar in Köln teilgenommen hat. Darüber hinaus hat er nicht im Zusammenhang mit der Seminarteilnahme stehende Fahrtkosten über die Beklagte abgerechnet. Die Teilnahme an den Veranstaltungen in Berlin und Hannover liegt auch nicht in der direkten Ausübung seines Betriebsratsmandats begründet. Besonders schwerwiegend ist aber die Verletzung des Vertrauensverhältnisses gegenüber der Beklagten aufgrund der objektiv falschen Angaben des Klägers in Bezug auf die Arbeitszeit und die angefallenen Spesen. In der Gesamtschau dieser Umstände rechtfertigt dieses Verhalten eine außerordentliche Kündigung.

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