04.03.2016

Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch ist bei wiederholter Bewerbung kein Indiz für eine Benachteiligung

Lädt ein öffentlicher Arbeitgeber einen schwerbehinderten Bewerber nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein, lässt dies zwar grds. nach § 22 AGG eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten. Etwas anderes gilt aber, wenn sich der schwerbehinderte Bewerber nur wenige Wochen zuvor auf eine gleiche Stelle beworben und nach der Teilnahme an einem Vorstellungsgespräch eine Absage erhalten hatte. Der öffentliche Arbeitgeber ist in einem solchen Fall nicht gehalten, den Bewerber mehrfach zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.

ArbG Karlsruhe 26.1.2016, 2 Ca 425/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ausgebildeter Justizfachwirt. Er ist mit einem Grad der Behinderung von zuletzt 30 Prozent schwerbehindert und wurde 2012 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Mit Schreiben vom 25.4.2015 bewarb er sich auf eine vom beklagten Landkreis ausgeschriebene Stelle als Unterkunftsleiter in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber, wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und erhielt nach dem Gespräch eine Absage.

Mit Schreiben vom 11.7.2015 bewarb sich der Kläger erneut auf eine Stelle des Beklagten als Unterkunftsleiter in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber. Die Stellenausschreibung war identisch mit der vorherigen. Für das Auswahlverfahren und die Auswahlentscheidung war zudem derselbe Sachbearbeiter des Beklagten zuständig wie in dem vorhergehenden Auswahlverfahren.

Der Kläger erhielt wiederum eine Absage, dieses Mal allerdings ohne zuvor zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Mit seiner Klage verlangte er die Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG. Die unterbliebene Einladung zum Vorstellungsgespräch indiziere eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung, zumal der Beklagte nicht habe wissen können, ob es auch in diesem Verfahren bessere Bewerber als ihn geben würde. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG.

Zwar ist nach § 22 AGG grds. eine Benachteiligung wegen der Behinderung zu vermuten, wenn ein öffentlicher Arbeitgeber entgegen § 82 Satz 2 SGB IX einen nicht offensichtlich ungeeigneten schwerbehinderten oder gleichgestellten Bewerber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat.

Etwas anderes gilt aber, wenn ein Schwerbehinderter sich - wie hier - auf mehrere Stellen mit identischem Anforderungsprofil bewirbt und der Arbeitgeber ein identisches Auswahlverfahren durchführt, die für die Personalentscheidung verantwortlichen Mitarbeiter gleich bleiben und nur wenige Wochen zwischen dem Vorstellungsgespräch und der erneuten Bewerbung liegen. In einem solchen Fall wirkt die Chanceneröffnung durch das bereits geführte Bewerbungsgespräch auch für das neue Bewerbungsverfahren fort.

Linkhinweis:
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