21.03.2023

Örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts bei nach § 3 BetrVG gebildetem Betriebsrat

Örtlich zuständig ist in Angelegenheiten eines nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) BetrVG durch Zusammenfassung mehrerer Betriebe gebildeten Betriebsrats das gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG für den jeweiligen Betrieb örtlich zuständige Arbeitsgericht. Eine Begründung der örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts am Unternehmenssitz über eine analoge Anwendung des § 82 Abs. 1 Satz 2 ArbGG scheidet aus.

ArbG Köln v. 14.12.2022 - 18 BVGa 17/22
Der Sachverhalt:
Der Betriebsrat eines Unternehmens beantragte wegen eines Streits über Dienstpläne eine einstweilige Verfügung vor dem ArbG Köln. Das Gericht wies die Beteiligten auf Bedenken hinsichtlich seiner örtlichen Zuständigkeit hin und kündigte unter Hinweis auf § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG die Abtrennung des Verfahrens hinsichtlich der einzelnen Betriebe und entsprechende Verweisung an andere Arbeitsgerichte an.

Hierauf teilte die Antragstellerin mit, dass sie die örtliche Zuständigkeit des angerufenen ArbG in analoger Anwendung des § 82 Abs. 1 Satz 2 ArbGG für nach § 3 BetrVG gebildete Betriebsräte als gegeben ansieht.

Die Beteiligte zu 2) (= Arbeitgeberseite) betreibt ein Filialunternehmen für Sportbekleidung, insbesondere Sportschuhe, mit Unternehmenssitz in K... und insgesamt ca. 70 Filialen im Bundesgebiet. Sie ist die deutsche Tochtergesellschaft einer britischen Muttergesellschaft.

Ursprünglich waren teilweise für einzelne Filialen örtliche Betriebsräte errichtet. Am Unternehmenssitz in K... ist zusätzlich ein Gesamtbetriebsrat errichtet.

Das ArbG Köln hat sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an andere Arbeitsgerichte verwiesen.

Die Gründe:
Die örtliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen in Beschlussverfahren ist in § 82 ArbGG abschließend und zwingend geregelt (BAG v. 19.6.1986 - 6 ABR 66/84). Zuständig ist hiernach aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG grundsätzlich das Arbeitsgericht, in dessen Bezirk der Betrieb liegt. Nur ausnahmsweise ist in den gesetzlich in § 82 Abs. 1 Satz 2 ArbGG aufgezählten Konstellationen ein anderes Gericht örtlich zuständig.

Eine der in § 82 Abs. 1 Satz 2 ArbGG aufgezählten Angelegenheiten ist im hiesigen Rechtsstreit nicht streitgegenständlich. Der Fall eines nach § 3 BetrVG gebildeten Betriebsrats ist in § 82 Abs. 1 Satz 2 ArbGG gerade nicht aufgezählt. Insofern kann die Ausnahmeregelung des § 82 Abs. 1 Satz 2 ArbGG vorliegend keine Anwendung finden, sondern es verbleibt bei der allgemeinen Zuständigkeitsregelung des § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.

Eine Zuständigkeit des Arbeitsgerichts am Unternehmenssitz ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Beteiligten durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b), Abs. 2 BetrVG die o.g. Betriebe zusammengefasst haben.

Die Regelung des § 3 BetrVG erlaubt in ihrem Absatz 1 Nr. 1 Buchst. b) die Zusammenfassung von Betrieben, wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient. Eine entsprechende Vereinbarung durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung hat nach § 3 Abs. 5 BetrVG die Rechtsfolge, dass die gebildeten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten "als Betriebe im Sinne dieses Gesetzes gelten". Die gesetzliche Fiktion ist ausdrücklich auf das Betriebsverfassungsgesetz begrenzt. In der Entwurfsbegründung werden in diesem Zusammenhang die Auswirkungen auf die Zahl der Betriebsratsmitglieder, die Größe der Ausschüsse und die Zahl der Freistellungen genannt. In anderen arbeitsrechtlichen Bereichen bleibt hingegen der allgemeine Betriebsbegriff maßgebend. Für den Betriebsbegriff des Arbeitsgerichtsgesetzes gilt die gesetzliche Fiktion des § 3 Abs. 5 BetrVG daher nicht (so ausdrücklich und zutreffend LAG Baden-Württemberg v. 7.8.2009 - 3 SHa 2/09).

Der Begriff des Betriebs nach § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG bestimmt sich nach materiellem Betriebsverfassungsrecht. Nach der ständigen Rechtsprechung ist ein Betrieb eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden.

Soweit in der Literatur und im Anschluss hieran in der Entscheidung des ArbG Potsdam vom 10.2.2010 (7 BV 149/09) ebenfalls vereinzelt in der Instanzrechtsprechung vertreten wird, dass das Arbeitsgericht am Unternehmenssitz für die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) BetrVG zusammengefassten Betriebe zuständig ist, folgt die Kammer dieser Ansicht ausdrücklich nicht. Für diese Ansicht fehlt es bereits an jeglicher Stütze im Gesetz. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, nur Angelegenheiten eines auf Unternehmensebene angesiedelten Gremiums dem Arbeitsgericht des Unternehmenssitzes zuzuweisen. § 82 ArbGG wurde in den letzten Jahren mehrfach geändert, ohne dass der Gesetzgeber eine spezielle Regelung für zusammengefasste Betriebe aufgenommen hätte. Ziel der gesetzlichen Regelung ist, dass die örtlichen Angelegenheiten vor Ort geklärt werden sollen, nämlich dort, wo sich der jeweilige Betrieb befindet. Mit diesem Ziel lässt sich die Literaturauffassung nicht in Einklang bringen.

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