28.02.2013

"Private" Arbeitgeber können sich von Arbeitsvertrag mit unangemessen hoher Vergütung nicht ohne weiteres lösen

Arbeitgeber können einen Arbeitsvertrag, in dem die geschuldete Tätigkeit nur rudimentär beschrieben und dem Arbeitnehmer gleichwohl eine sehr hohe Vergütung zugesagt wird, nicht ohne weiteres anfechten oder fristlos kündigen. Das gilt auch für Privatleute, die jemanden einstellen und wenig geschäftliche Erfahrung haben. Eine Lösung vom Arbeitsverhältnis kommt in diesem Fall nur in Betracht, wenn es Anhaltspunkte für die Ausnutzung einer Zwangslage oder Unerfahrenheit oder für ein Scheingeschäft gibt.

ArbG Neumünster 23.1.2013, 3 Ca 1359 b/12
Der Sachverhalt:
Das beklagte Ehepaar hatte vor nahezu 20 Jahren einen sehr großen Betrag beim Lottospielen gewonnen. Seitdem schreibt die Ehefrau Kinderbücher über einen Esel "Joshi". Der Kläger nahm Kontakt zu den Eheleuten auf und die Parteien unterzeichneten am 11.9.2011 einen Arbeitsvertrag. Dieser enthielt neben Vereinbarungen zur Entgeltfortzahlung und zum Urlaub insbesondere folgende Regelungen:
  • Der Arbeitnehmer wird zum 15.9.2011 als "Vertriebsmanager" eingestellt.
  • Auf eine Probezeit wird verzichtet.
  • Die Anstellung erfolgt fest für zunächst zwei Jahre.
  • Das Monatsgehalt beträgt 20.000 € bei 13 Monatsgehältern und einer Gewinnbeteiligung am Projekt "Joshi".
  • Der Vertrag verlängert sich um zwei Jahre, sofern er nicht zuvor mit einer halbjährigen Frist gekündigt wird.
  • Der Vertrag ist vor Dienstantritt unkündbar.
  • Im Fall der vorzeitigen Aufhebung des Arbeitsvertrags - gleich aus welchen Gründen - steht dem Arbeitnehmer eine Abfindung i.H.v. 250.000 € zu.

Einen Tag später unterbreitete der Ehemann dem Kläger einen geringfügig modifizierten Arbeitsvertrag, der nur zwischen dem Kläger und ihm zustande kommen sollte. Nachdem der Kläger diesen zweiten Vertrag nicht unterzeichnen wollte, fochten die Eheleute den Arbeitsvertrag vom 11.9.2011 wegen Irrtums und arglistiger Täuschung an und kündigten vorsorglich fristlos und fristgerecht. Zur Begründung machten sie u.a. geltend, der Kläger habe ihnen wahrheitswidrig vorgespiegelt, Kontakte zu Verlagen und Showstars zu haben.

Die gegen die Kündigung und Anfechtung gerichtete Klage hatte vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig (LAG Schleswig-Holstein - 1 Sa 50/13).

Die Gründe:
Die Beklagten haben den Arbeitsvertrag mit dem Kläger weder wirksam gekündigt noch angefochten.

Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis und nicht lediglich ein freies Dienstverhältnis. Das folgt daraus, dass die Parteien im Arbeitsvertrag auch Regelungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und den Urlaubsanspruch des Klägers getroffen haben. Es gibt auch keine Anhaltspunkte für ein Scheingeschäft.

Ein Anfechtungs- oder Kündigungsrecht der Beklagten ergibt sich insbesondere nicht aus ihrer - bestrittenen - Behauptung, der Kläger habe ihnen wahrheitswidrig vorgespiegelt, Kontakte zu Verlagen und Showstars zu haben. Hierin liegt - die Behauptung als wahr unterstellt - keine arglistige Täuschung i.S.v. § 123 Abs. 1 BGB, sondern nur ein unbeachtlicher Motivirrtum.

Auch aus den finanziellen Regelungen des Arbeitsvertrags lässt sich kein Anfechtungsrecht herleiten. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Ehemann dem Kläger am Folgetag und damit nach einer Überlegungsfrist ein in finanzieller Hinsicht fast gleiches Alternativangebot unterbreitet hat, in dem die geschuldete Tätigkeit zudem auch nicht näher beschrieben war als in dem am Vortrag geschlossenen Vertrag.

Es ist im Arbeitsleben auch nicht außergewöhnlich, befristete Arbeitsverträge ohne Kündigungsmöglichkeit mit einer festen Laufzeit von zwei Jahren abzuschließen. Die Ausnutzung einer Zwangslage oder Unerfahrenheit kann hieraus nicht hergeleitet werden.

LAG Schleswig-Holstein PM Nr. 1/13 v. 22.2.2013
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