Rechtsweg bei nachvertraglichem Hausverbot und Kundenkontaktaufnahmeverbot
LAG Düsseldorf v. 29.9.2025 - 3 Ta 169/25Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers gegen die Beklagten auf Rücknahme eines ihm gegenüber ausgesprochenen Hausverbots sowie eines zeitgleich ausgesprochenen Kundenkontaktaufnahmeverbots bzgl. Bestandskunden der Beklagten zu 2) und in diesem Zusammenhang vorab über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten.
Der Kläger war in der Zeit von 2013 bis Ende Mai 2023 bei der Beklagten zu 2) als Repräsentant/Automobilverkäufer tätig und betreute zahlreiche Kunden. im Arbeitsvertrag waren insbesondere ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot oder eine sog. Kundenschutzklausel nicht vereinbart. Die Beklagte zu 1) ist die alleinige Gesellschafterin der Beklagten zu 2), die zur "J- Gruppe" gehört. Zwischen der Beklagten zu 1) und dem Kläger bestand zu keiner Zeit ein Arbeitsverhältnis. Mit Schreiben vom 2.4.2025, das auf dem Briefbogen der Beklagten zu 1) verfasst ist und diese als Absender ausweist, jedoch neben den beiden Vorstandsmitgliedern F und O der Beklagten zu 1) auch von dem Geschäftsführer der Beklagten zu 2) unter Angabe seiner Funktion bei dieser Gesellschaft unterzeichnet wurde, wurde dem Kläger u.a. folgendes mitgeteilt:
"Haus- und Kontaktaufnahmeverbot
Sehr geehrter Herr S,
aufgrund Ihres unangemessenen Verhaltens erteilen wir Ihnen hiermit ein ab sofort gültiges Hausverbot bzgl. aller Grundstücke, Gebäude und Liegenschaften, die zum gesamten J-Konzern. Jede Zuwiderhandlung, mithin jedes Betreten der Grundstücke, Gebäude und/oder Liegenschaften des J-Konzerns werden wir mit Strafanzeigen und -anträgen sowie zivilrechtlichen Schritten ahnden!
Gleichwohl erweitern wir das Hausverbot um ein Kontaktaufnahmeverbot. Jedwede Kontaktaufnahme, persönlich oder telefonisch zu Ihnen bekannten Bestandskunden wird Ihnen hiermit ausdrücklich untersagt. Jede Zuwiderhandlung, mithin jede Kontaktaufnahme werden wir ebenfalls mit Strafanzeigen und -anträgen sowie zivilrechtlichen Schritten ahnden.
Mit freundlichen Grüßen
Q. J. AG"
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Rücknahme von Haus- und Kontaktaufnahmeverbot. Das ArbG erklärte den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das AG Bochum; es liege keine arbeitsrechtliche Streitigkeit gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a.) oder lit. c.) ArbGG vor. Der sofortigen Beschwerde des Klägers half das ArbG ebenso wenig ab wie vorliegend das LAG. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Das ArbG hat zu Recht seine Zuständigkeit für die hier streitgegenständliche Klage verneint und den Rechtsstreit an das AG verwiesen.
Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, das Ergebnis der Verweisungsentscheidung rechtserheblich infrage zu stellen. Im Streitverhältnis des Klägers zur Beklagten zu 1) kann eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) oder c) ArbGG nicht begründet werden, denn Voraussetzung ist stets ein zumindest früher bestandenes Arbeitsverhältnis der Parteien. An diesem mangelt es im Streitverhältnis des Klägers und der Beklagten zu 1) unstreitig. Auch im Streitverhältnis des Klägers zur Beklagten zu 2) kommt entgegen seiner Ansicht eine Zuständigkeitsbegründung nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) oder c) ArbGG nicht in Betracht.
Wird nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses seitens der Konzernmutter- und Obergesellschaft der Arbeitgeberin des Arbeitnehmers diesem gegenüber ein konzernweites Haus- und Kundenkontaktaufnahmeverbot ausgesprochen, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten im Streitverhältnis zur Konzernmuttergesellschaft mangels Arbeitsverhältnis der Parteien allenfalls über § 2 Abs. 3 ArbGG als Zusammenhangsklage begründbar, falls ein Verfahren auch gegen die frühere Arbeitgeberin geführt wird, für dieses die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben ist und ein rechtlicher oder unmittelbar wirtschaftlicher Zusammenhang besteht.
Spricht die frühere Arbeitgeberin nahezu zwei Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber ihrem früheren Arbeitnehmer ein Haus- und Kundenkontaktaufnahmeverbot aus, ohne dass hierbei irgendwie auf das frühere Arbeitsverhältnis Bezug genommen wird, ohne dass ein Wettbewerbsverbot oder eine sogenannte Kundenschutzklausel vertraglich vereinbart worden wären, sondern allein mit der Begründung, dass ihr Hauptlieferant dies verlangt hätte, liegt weder eine Rechtsstreitigkeit aus dem - lange beendeten - Arbeitsverhältnis noch eine solche aus dessen Nachwirkungen vor.
Voraussetzung für die Annahme einer Nachwirkung aus dem beendeten Arbeitsverhältnis i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. c) ArbGG ist, dass der geltend gemachte Anspruch seine Grundlage in Rechten und Pflichten aus dem früheren Arbeitsverhältnis hat, die auch nach Beendigung desselben weiter Wirkung entfalten, also "nach"-wirken. Anderenfalls stehen sich ehemaliger Arbeitnehmer und ehemaliger Arbeitgeber rechtlich wie zwei sonstige Rechtssubjekte gegenüber und ist demgemäß der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten, nicht aber jener zur Fachgerichtsbarkeit der Arbeitsgerichte eröffnet.
Mehr zum Thema:
Kommentierung | ArbGG
§ 2 Zuständigkeit im Urteilsverfahren
Kalb in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 11. Aufl. 2024
11. Aufl./Lfg. 04.2024
Kommentierung | ArbGG
§ 2 Zuständigkeit im Urteilsverfahren
Walker in Schwab/Weth (Hrsg.), Arbeitsgerichtsgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2022
Aktionsmodul Arbeitsrecht
Otto Schmidt Answers ist in diesem Modul mit 5 Prompts am Tag enthalten! Nutzen Sie die Inhalte in diesem Modul direkt mit der KI von Otto Schmidt. Mit den Inhalten der erstklassigen Standardwerke zum Arbeitsrecht sowie der Fachzeitschriften ArbRB, DER BETRIEB, ZFA und ZAU. 4 Wochen gratis nutzen!